Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär
Wissenschaftler, der sich ausschließlich mit diesem Thema befaßt und ein gutes Dutzend Bücher darüber verfaßt hatte, stellte die Theorie auf, daß Gimpel einstmals Berghutzen waren, die an Ganzkörperhaarausfall litten und sich deshalb aus Scham in dunkle Gewänder wickelten und in die Wüste flüchteten, aber daran glaube ich nicht. Die Theorie basierte auch tatsächlich nur auf drei Berghutzenhaaren, die der Wissenschaftler auf halbem Wege zwischen dem Hutzengebirge und der Süßen Wüste in einer Erdspalte gefunden hatte.
Das Leben in der Karawane verlief ungewöhnlich konfliktfrei. Streit, Ärger, Probleme und so weiter sind den Gimpeln völlig zuwider, es wird immer nach der verträglichsten Lö- sung gesucht. Ab und zu gab es unterschiedliche Auffassungen darüber, in welcher Himmelsrichtung man weiterziehen sollte, aber dann wurde nicht einmal darüber abgestimmt, weil Abstimmung Konflikt bedeutete, sondern im Zickzack weitergezogen.
Die Gimpel liebten Musik, aber nur selbsterzeugte auf selbstgebastelten Instrumenten, die sie gerne an den abendlichen Lagerfeuern zum besten gaben. Meines Erachtens war es keine besonders gute Musik, es ging mehr darum, gemeinsam ein beruhigendes Geräusch zu erzeugen, das alle in den Schlaf lullte. Die Instrumente waren vorwiegend getrocknete, ausgehöhlte und entstachelte Kakteenarme, in die man melodisch hineinbrummte. Andere hatte man mit Kamedareuter bespannt und schlug darauf den (sehr langsamen) Takt. Diejenigen, die keines der Instrumente spielten, wiegten sich einfach in diesem Takt und stießen nur gelegentlich ein anfeuernd gemeintes »Gimp!« aus, um den Musikern ihre Begeisterung mitzuteilen. Nach und nach sanken wir dann in den Wüstenstaub, erschöpft vom langen Tagesmarsch und müdegebrummt von der Musik.
Wir müssen einen staunenerregenden Anblick abgegeben haben, eine Prozession von dunkelblauen Mumien, die kichernd durch die Wüste zieht. Von außen bildeten wir eine Einheit, aber eigentlich waren alle Gimpel eingefleischte Individualisten, daher waren wir so etwas wie ein wandelndes Paradox, eine Notgemeinschaft von Einzelgängern.
Wie jede Gemeinschaft hatte auch die der Gimpel Regeln, die sich aber so erfrischend von herkömmlichen Vorschriften unterschieden, daß es beinahe ein Vergnügen war, sich ihnen zu unterwerfen. Es waren zwölf Regeln, die die Gimpel in einer sogenannten Sandflaschenpost gefunden hatten.
Sandflaschenpost findet man häufig in der Süßen Wüste. Es ist oft die einzige Möglichkeit, besonders in Notsituationen, eine Nachricht auf den Weg zu schicken. Man versiegelt sie in einer Glasflasche und steckt sie dann in eine Wanderdü- ne, in der oft trügerischen Hoffnung, daß die Wanderdüne sie zügig befördert. Leider sind Dünen vollkommen unberechenbar, was Geschwindigkeit und Wanderrichtung angeht, daher ist die Chance, daß eine Sandflaschenpost in die richtigen Hände gerät, sehr gering. Die Flaschenpost, die die Gimpel fanden, mußte schon sehr lange unterwegs gewesen sein, denn das Papier war völlig vergilbt, die Schrift darauf verwittert und in altmodischen Buchstaben. Da aber, als die Gimpel das Papier entfalteten, ein gewaltiger Sandsturm aufkam, werteten sie es als ein Zeichen des Schicksals und machten die zwölf Regeln, die darin standen, zu ihrem Gesetz. Sie lauteten folgendermaßen:
1. Ehre das Gimp!
2. Du sollst keinen weißen Hahn mit seinem Namen grüßen!
3. Du sollst kein Holz essen!
4. Wenn du zwei übereinandergelegte Hölzer auf dem Boden siehst, sollst du sie nicht mit dem rechten Fuße vorwärts übertreten, sondern rückwärts mit dem linken; ferner sollst du die Hölzer nicht verspeisen!
5. Fällt der Schatten eines Geiers auf ein erloschenes Feuer, so muß dieses dreimal neu entfacht werden, denn sonst droht großes Unglück.
6.Kreuzt du den Weg eines weißen Hahns, der auf zwei überereinandergelegten Hölzern sitzt, so darfst du ihn nicht schlagen; noch sollst du ihn mit Namen grüßen ober von den Hölzern kosten!
7. Du sollst einen Namen tragen, der sei wie kein anderer Name im ganzen Universum! Begegnest du einem deiner Brüder, so sollst du ihn fehlerfrei mit vollem Namen anreden! (Zu dieser harmlos klingenden Regel habe ich später noch Erschütterndes zu berichten.)
8.Fällt der Schatten eines Geiers auf einen weißen Hahn, der auf zwei verkohlten Hölzern eines erloschenen Feuers sitzt, befindest du dich in einer beklagenswerten Situation. Du sollst dennoch ni(unleserlich)ut
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