Die 13. Stunde
nur für Bier aus der Dose reichte: Ihm fehlte schlicht das Einkommen, um sich die Frauen leisten zu können, zu denen er sich hingezogen fühlte.
Arilio stopfte sich das blaue Hemd in die Khakihose, während er mit Randall hinters Haus ging. Sie gaben sich den Anschein, als wären sie dienstlich unterwegs.
Auch Brinehart traf nun mit seinem zivilen Streifenwagen ein, hielt rechts neben Dance und stieg mit einem aufgeregten Lächeln aus.
Dance nahm zwei halbvolle Sporttaschen aus dem Kofferraum und stellte sie an die Hintertür.
Sam Dreyfus eilte von der Stelle herbei, wo er den letzten Laser platziert hatte, und zog dabei einen Schlüssel und eine Magnetkarte aus der Tasche. »Wir haben vierzehn Minuten.«
Julia schritt über den Mittelgang des A300. Außer ihrer Handtasche trug sie nichts bei sich. Gewöhnt, mit Aktenkoffer und schwerem Bordcase zu reisen, hatte sie ständig das Gefühl, etwas vergessen zu haben.
Sie fand ihren Platz in der Businessklasse und ließ sich in einem der breiten Ledersessel sinken. Sie hatte es rechtzeitig geschafft; es war sogar Zeit übrig. Neben ihr saß eine elegante ältere Dame mit silbrigem Haar, das sie hochgesteckt trug, und konzentrierte sich auf das Magazin der Fluggesellschaft aus dem Sitzbeutel.
Weitere Passagiere stiegen ein, die übliche Freitagsmischung von Reisenden, die sich vom Rest der Woche unterschied. Während sonst hauptsächlich Geschäftsleute in der Maschine saßen, nahmen heute auch etliche Familien den Morgenflug zu einem Wochenende in ihren Ferienhäusern. Julia sah die fröhlichen, lärmenden kleinen Kinder mit anderen Augen als sonst. Was normalerweise ihre Geduld auf die Probe stellte, wenn sie sich auf die Arbeit zu konzentrieren versuchte, entlockte ihr heute ein Lächeln, und ihr fiel die Verzauberung in den kleinen Gesichtern auf. Zwei Schwestern, beide nicht älter als fünf, beschäftigten sich mit einem Singsangspiel, bei dem in die Hände geklatscht werden musste, und bekamen jedes Mal einen Lachanfall, wenn sie riefen: »Miss Mary Mack, Mack, Mack.«
Der blonde junge Geschäftsreisende auf der anderen Seite des Ganges lächelte. »Meine Kinder sind ein bisschen kleiner, aber sie sind genau so ausgelassen«, sagte er.
»Fliegen Sie übers Wochenende zu ihnen?«, fragte Julia.
»Zuerst muss ich nach Boston. Mit ein bisschen Glück bekomme ich die frühe Abendmaschine und bin rechtzeitig zu Hause, um ihnen Gute Nacht zu sagen.«
»Termin in letzter Sekunde?«, fragte Julia, die selbst schon zu viele solcher Reisen unternommen hatte.
»Ich hoffe auf einen neuen Abschluss.« Der Mann tätschelte den Laptop auf seinem Schoß. »Übrigens, ich heiße Jason Cereta.«
»Julia«, antwortete sie lächelnd.
»Wie viele Kinder haben Sie?«
»In neun Monaten wenigstens eines.« Julia berührte ihren Bauch – das erste Mal, dass sie einem anderen Menschen gegenüber zugab, schwanger zu sein.
»Oh, da gratuliere ich herzlich!«, sagte die ältere Dame auf dem Fensterplatz, die sich als Katherine vorstellte, und schaute zu Julia. »Reisen Sie geschäftlich?«
»Nein. Zu einer Ultraschalluntersuchung.«
»Das ist aber ein weiter Weg, nur um ein Foto machen zu lassen«, sagte die Frau, zog die Jacke aus und faltete sie auf dem Schoß zusammen.
»Ich weiß«, erwiderte Julia. »Aber ich bin mit meinem Arzt sehr zufrieden, und ich wollte meinen Mann mit dem ersten Foto unseres Kindes überraschen.«
»Er weiß noch nichts?«
»Nein.«
»Das ist ja großartig!«, sagte die ältere Dame. Ihre grünen Augen funkelten lebhaft, und ihre Haltung und ihr Lächeln machten es schwierig, ihr wahres Alter zu schätzen. »Wir hatten niemals Kinder, mein Mann und ich, obwohl wir sie immer geliebt haben. Kinder schenken einem Perspektive und erinnern einen daran, was im Leben wirklich wichtig ist. Habe ich recht?«, fragte sie und beugte sich vor, um Jason anzusehen.
»Oh ja«, erwiderte der junge Mann. »Glauben Sie mir, für mich allein würde ich niemals so hart arbeiten.«
»Wohin sind Sie unterwegs, Katherine?«, fragte Julia.
»Nach Chilmark. Ich war bei meiner Schwester in Larchmont zu Besuch. Mein Mann ist krank geworden.«
»Das tut mir leid.«
»Ach, Sie wissen ja, wie Männer sind, wenn sie Schnupfen oder Fieber bekommen. Das wird schon wieder.« Doch die Furcht in ihren Augen strafte ihre Worte Lügen.
Aus Julias Handtasche drang ein Summen. »Entschuldigen Sie«, sagte sie, holte ihr Handy heraus und rief die SMS auf. Es war eine
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