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Die 13. Stunde

Titel: Die 13. Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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hatte weder Nick noch jemandem sonst erzählt, dass sie seinen Ratschlag nie gehört hatte und dass keines seiner Worte bei ihr angekommen war, weil sie sich ganz und gar in seinen blauen Augen verloren hatte, die sie weitaus beeindruckender fand als die ausgeklügeltsten Schwimmstrategien.
    Als sie als Letzte anschlug, wobei sie Sterne sah und um Atem rang, hatte Nick dagestanden und ihr mit ausgestreckter Hand aus dem Becken geholfen. Fast ohne Anstrengung zog er sie aus dem Wasser, legte ihr ein Handtuch um und führte sie zu den Sitzbänken. Als der Abend in die Nacht überging, saßen sie während der dreistündigen Busfahrt nach Hause nebeneinander, in die angeregteste Unterhaltung vertieft, die sie beide bis dahin erlebt hatten.
    Nick fragte Julia kein einziges Mal, weshalb sie seinen Rat nicht beherzigt habe; stattdessen lenkte er das Gespräch auf alle möglichen anderen Themen, nur nicht aufs Schwimmen.
     Beide schätzten Camping; beide mochten Led Zeppelin; beide waren Fans der New York Giants und der Detroit Red Wings. Außerdem teilten sie eine Vorliebe für Spareribs und Brathähnchen, Kekse und Coca Cola. Julia tanzte gerne, was Nick eher fremd war; er selbst hegte eine Leidenschaft für das Skifahren, worüber Julia unbedingt mehr erfahren wollte.
    Kurz gesagt, sie passten zusammen. Sie passten perfekt zusammen. Und als die Jahre verstrichen und sie getrennte Wege gingen – Julia studierte in Princeton, Nick am Boston College –, schwand ihre Liebe nicht, sondern wuchs, zuerst während der Studienzeit, dann mit jedem Jahr ihrer Ehe.
    Das soll nicht heißen, dass sie keine Meinungsverschiedenheiten gehabt hätten. Obwohl Streit nur selten und in großen zeitlichen Abständen vorkam, waren ihre Auseinandersetzungen spektakulär, denn ihre Leidenschaft, recht zu behalten, kam beinahe der Leidenschaft für den anderen gleich. Doch die Meinungsverschiedenheiten, bei denen es stets um profane Dinge gegangen war – Roggen- oder Weißbrot? Rosen oder Tulpen? –, hielten niemals lange an und endeten stets mit leidenschaftlichen Stunden im Bett.
     
Nick blickte aus dem Fenster des Wohnzimmers auf die Spuren der Gartenparty in der vergangenen Woche: Liegestühle standen in wirrer Unordnung um das Schwimmbecken herum, Tische und Grill waren noch immer ein einziges Chaos, und die drei Müllsäcke hätte er eigentlich schon am letzten Sonntag an die Straße stellen sollen. Inmitten der ganzen Unordnung lag der Swimmingpool ruhig da, das Wasser glatt und ungestört – das genaue Gegenteil zu Nicks Gemütsverfassung.
    Das Wohnzimmer war im gewohnten Zustand: sauber und aufgeräumt bis auf das Gemälde, das aufzuhängen er Julia versprochen hatte und das seit einem halben Jahr an der Wand lehnte; hinzu kam der Stapel ungelesener Zeitungen und Zeitschriften auf dem Sofa. Das Esszimmer sah aus wie immer: Der Tisch war ständig für eine Dinnerparty gedeckt, falls sich in letzter Sekunde etwas ergab.
    Als Nick sich im Haus umsah, konnte er sich nicht vorstellen, dass Julia zufällig zum Mordopfer geworden war. Er hielt es für denkbar, dass ein Verbrecher die Gelegenheit genutzt hatte, von dem Chaos nach dem Flugzeugabsturz zu profitieren. Da sich alles auf die Absturzstelle konzentrierte, war die ganze Stadt abgelenkt, die Polizeikräfte weit verstreut. Doch die Zufälligkeit … irgendetwas musste noch fehlen, das er unbeachtet ließ, der Schlüssel zu Julias Tod, der auch der Schlüssel zu ihrer Rettung sein musste.
    Nick betrachtete sein Zuhause mit neuen Augen, suchte nach allem, was ungewöhnlich war, nach irgendetwas, das nicht am richtigen Ort lag oder fehlte, nach irgendeinem Hinweis darauf, weshalb Julia ermordet worden sein könnte.
    Er öffnete die Schiebetür zu seiner Bibliothek und leuchtete mit der Taschenlampe hinein. Das Bücherzimmer war viel kleiner als sein Gegenstück in Marcus’ Haus; es sah eher wie eine Bibliothek aus und war angefüllt mit Stücken aus ihrem gemeinsamen Leben. Sollte dieser Raum irgendwann einmal einen Atomschlag überstehen und fünfhundert Jahre später ausgegraben werden, könnte ein Archäologe daraus ein beeindruckend stimmiges Bild des Lebens von Nick und Julia Quinn erstellen. Ihre gemeinsame Geschichte wurde in dem verschlossenen Schrank voller Pokale und Medaillen für hervorragende Leistungen im Schwimmen, Eishockey und Lacrosse offengelegt, die auszustellen ihnen peinlich war, von denen sie sich aber auch nicht trennen wollten, weil beide eine nostalgische

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