Die 13. Stunde
Police stand. Ein breitschultriger, älterer Mann mit grauem, einst schwarzem Haar saß dahinter. Nick erkannte ihn als den Mann, der in sechs Stunden sein Verhör unterbrochen hatte.
»Captain Delia?«
Der Captain sah mit müden Augen auf. »Ja. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Ich weiß, dass es ein schwerer Tag für Sie und alle anderen ist, Captain, aber es geht um einen Notfall.«
»Was für ein Notfall?«, fragte der Captain.
»Heute Morgen gab es einen groß angelegten Einbruch. Mehr als fünfundzwanzig Millionen Dollar in Antiquitäten und Edelsteinen wurden aus Washington House auf der Maple Avenue gestohlen.«
Delia hob überrascht den Kopf. »Davon habe ich gar nichts gehört.«
»Meine Frau gehört zu den Anwälten des Eigentümers. Sie wurde über den Einbruch informiert und hat sich vergewissert.«
»Ausgerechnet heute, verdammt!« Der Captain stand auf und sah um sich. Dann zuckte er die Schultern. »Ich wüsste nicht, wen ich hinschicken könnte. Ich habe so schon zu wenig Leute. Wurde das Haus wieder verschlossen?«
»Ja«, sagte Nick. »Aber deshalb bin ich nicht hier.«
»Sondern?« Delia wischte sich eine verschwitzte Haarsträhne aus der Stirn.
Nick schaute zur Seite und überlegte einen Augenblick, ob er den Grenzpunkt, hinter dem es kein Zurück mehr gab, wirklich überschreiten sollte. Dann wandte er sich wieder dem Captain zu. »Wer immer die Tat verübt hat, ist hinter meiner Frau her.«
»Ich verstehe nicht … Was soll das heißen?« Der Captain wirkte plötzlich nervös.
»Er will meine Frau umbringen.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ihr Büro wurde bereits verwüstet.«
Delia musterte ihn einen Augenblick. »Haben Sie einen Verdacht, wer es gewesen sein könnte?«
Nick zog das ausgedruckte Standbild hervor. »Dieser Mann ist in den Einbruch verwickelt. Aber ich weiß nicht, auf welche Weise. Ich weiß nicht einmal, wer er ist.«
»Woher haben Sie das?«, fragte der Captain, während er das Foto musterte.
»Es stammt von einer Überwachungskamera. Möglicherweise ist die Sicherheitsfirma in die Sache verwickelt.«
Der Captain antwortete nicht, starrte weiter auf das Bild.
»Außerdem habe ich einen blauen Chevy Impala in der Nähe unseres Hauses gesehen«, log Nick über den Wagen, den er erst in der Zukunft gesehen hatte – den Wagen, in dem die Männer gesessen hatten, die gekommen waren, um Julia zu töten. »Es war ein Leihwagen von Hertz. Er wurde von einem gewissen Paul Dreyfus gemietet. Seine Firma hat die Sicherheitssysteme in Washington House installiert.«
»Und Sie sind Privatdetektiv?«, fragte Captain Delia.
»Nein.«
»Wie haben Sie das alles dann so schnell herausgefunden?«, fragte der Captain misstrauisch.
»Sie würden sich wundern, wie einfallsreich man wird, wenn jemand versucht, die eigene Frau umzubringen.«
»Wo ist Ihre Frau jetzt?«, fragte Delia.
»Bei Freunden.« Nick war keineswegs sicher, wo Julia zu dieser Stunde war, hielt es aber für das Beste, nicht zu viel zu sagen.
Der Captain nahm das Walkie-Talkie vom Tisch und drückte mit dem Daumen einen Knopf an der Seite. »Bob?«
»Ja«, meldete sich eine Stimme, sehr laut und von statischem Rauschen überlagert.
»Machen Sie, dass Sie herkommen«, befahl der Captain, legte das Walkie-Talkie zurück auf den Tisch und wandte sich erneut Nick zu. »Ich will ehrlich zu Ihnen sein. Wir können niemanden entbehren. Solange Ihre Frau nicht unmittelbar bedroht wird, ist schwer festzustellen, ob die Gefahr tatsächlich existiert. Ich kann Ihre Besorgnis verstehen, aber wer immer den Einbruch begangen hat, er ist vermutlich längst verschwunden und wird nicht riskieren, in der Nähe zu bleiben, wo man ihn fassen könnte.«
Der Captain nahm wieder Platz, beschäftigte sich mit seinen Papieren und hob den Hörer ab, als das Telefon klingelte.
Nick drehte ihm den Rücken zu und blickte sich um. Als die Tür zum Umkleidegebäude sich öffnete, drangen Schluchzen und Klagelaute heraus. Man hatte das Gebäude den Hinterbliebenen der Absturzopfer zur Verfügung gestellt. Nick begriff ihre Qual umso mehr, nachdem er vor Julias entstelltem Leichnam gestanden hatte.
Unerwartet mit dem Tod eines geliebten Menschen konfrontiert, bewegen die Gefühle sich in sämtliche Richtungen – Wut, Zorn, Selbstmitleid, Schuld, Trauer, Niedergeschlagenheit –, während die Gedanken sich mit dem Unmöglichen befassen, dem Was-wenn und Wenn-nur. Was, wenn er im Stau stecken geblieben wäre und sein Flugzeug
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