Die 13. Stunde
Sie?«
»Nick Quinn.«
»Und Ihre Frau?«
»Julia.«
Shannon führte Nick in eine Ecke des Zeltes, zog zwei Klappstühle heran, setzte sich auf einen davon und bot Nick den anderen an. »Möchten Sie etwas zu trinken? Wasser? Limo? Oder etwas anderes?«
Nick schüttelte den Kopf, während er sich setzte.
»Erzählen Sie mir, was los ist«, forderte Shannon ihn auf.
Nick berichtete ihm von dem Einbruch und davon, wie Julias Computer aus ihrem Büro gestohlen worden war. Er erzählte, wie die Diebe ihre Spuren verwischt hatten. Jedes seiner Worte war wohlbedacht, damit er keine Andeutung machte, dass die geschilderten Ereignisse zum Teil noch in der Zukunft lagen.
»Darf ich fragen, wo Ihre Frau jetzt ist?«
»Sie …« Nick verstummte. Obwohl Shannon nicht als der Mistkerl auftrat, der er im Verhörraum gewesen war, musste er sich Nicks Vertrauen erst noch verdienen. Nick hielt es für besser, ein paar Dinge für sich zu behalten. Obwohl er nicht genau wusste, wo Julia war, log er. »Sie ist bei Freunden in Bedford.«
»Allein?«
»Ja.«
»Warum hat sie Sie nicht begleitet?«
»Sie hatte Angst. Sie sagte, sie könne es nicht ertragen, hierherzukommen.«
»Das kann ich verstehen«, sagte Shannon mit einem Blick auf die Verwüstung.
»Sie sollte eigentlich in diesem Flugzeug sitzen …«
»Was?« Shannon riss überrascht die Augen auf.
»Sie ist dann aber von Bord gegangen, weil sie eine SMS bekam, die sie über den Einbruch informierte.«
Shannon blieb sitzen. Sein Gesicht zeigte, dass er die Ironie begriff. »Oh Mann, das Schicksal ist wirklich unberechenbar. Es muss ihr beschissen gehen, wenn man sich vorstellt, dass sie nur überlebt hat, um ins Visier eines Irren zu geraten.«
Nick musste sich eingestehen, dass er Shannon offenbar falsch eingeschätzt hatte. Shannon hatte geglaubt, mit einem Mörder zu reden, als er ihn verhört hatte – mit einem Mann, der seine Frau erschossen hatte. Seine Heftigkeit hatte einschüchternd gewirkt, doch sie gehörte zu dem Instrumentarium, mit dem man einem Verbrecher die Wahrheit entlockt. Shannon schien kein so übler Kerl zu sein.
»Ich weiß, dass Sie Angst haben, Ihre Frau könnte in Gefahr sein«, sagte Shannon. »Und ich glaube Ihnen. Wenn ich in Ihrer Haut stecken würde, wäre ich sofort zur Polizei gegangen. Sie haben richtig gehandelt. Sie haben das Beste getan, was Sie in der Situation tun konnten …«
»Aber?«, fragte Nick.
»Nun, Sie wollen uns Informationen über die Leute geben, denen diese Sicherheitsfirma gehört, damit wir der Sache nachgehen. Aber das können wir nicht, tut mir leid. Nicht in dieser Situation. Sie sehen ja selbst, dass hier die Hölle los ist. Außerdem scheinen diese Leute genau zu wissen, was sie tun. Sie sind gut informiert und clever und haben vermutlich kaum Spuren hinterlassen. Ich will nicht sagen, dass es überhaupt keine Spuren gibt, aber wir brauchen Leute, um sie zu finden, und daran mangelt es uns im Moment.«
Nick wusste, dass Shannon recht hatte. Er hatte die gleiche Schlussfolgerung gezogen. Die Chance, Julias Mörder zu finden, war gering. Aber wie hoch war andererseits die Wahrscheinlichkeit, in letzter Minute aus einem Flugzeug gerufen zu werden, das kurz nach dem Start abstürzte? Die letzten sechs Stunden, die Nick durchlebt hatte, waren unmöglich, unvorstellbar, und doch waren sie geschehen.
»Hier ist ein Ausdruck von den Überwachungskameras«, sagte Nick und reichte Shannon das Bild des dunkelhaarigen Einbrechers.
Shannon musterte das Gesicht des Mannes. »Sie sagten doch, das Sicherheitssystem von Washington House wurde außer Gefecht gesetzt und das Back-up im Büro Ihrer Frau sei gestohlen worden. Offenbar verschweigen Sie mir etwas.«
Nick verfluchte sich für seine Dummheit. Er hatte die Informationen auf Julias PDA für sich behalten wollen, denn er wusste, dass sie letztendlich das waren, was der Mörder suchte. »Meine Frau hat die Informationen auf ihrem Computer noch einmal gesichert«, gab er zu, weil er wusste, dass Shannon bei weiteren Ausflüchten misstrauisch geworden wäre.
»Ich muss sie sehen. Wo sind sie?«
»In meinem Wagen«, antwortete Nick. Der Palm Pilot war zwar in seinem Jackett, doch auf dem Weg zum Auto würde er noch ein paar Minuten darüber nachdenken können, ob er die richtige Entscheidung traf. »Und da ist noch etwas. Ich habe in der Nähe meines Hauses einen blauen Chevy gesehen. Ein Leihwagen, gemietet von einem gewissen Paul Dreyfus. Seine Firma
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