Die 13. Stunde
Preis.«
Julia drückte die Auflegen-Taste an ihrem Handy, froh, dass nun noch jemand von dem Einbruch wusste. Hinter ihr lag eine Achterbahnfahrt der Emotionen: auf der einen Seite das Hochgefühl, dem Tod entgangen zu sein, auf der anderen Seite Trauer und Schmerz angesichts des sinnlosen Sterbens von mehr als zweihundert Menschen. Hinzu kam die Bestürzung wegen des Einbruchs in Shamus’ Haus und Nervosität, weil sie ihn nicht erreichen konnte. Vor allem plagte sie das Schuldgefühl einer Überlebenden. Das alles lastete schwer auf Julias Seele, als sie auf dem Parkplatz der Tankstelle in Bedford wartete.
Sie drehte sich um, als Marcus’ Bentley vorfuhr. Nick sprang aus dem Wagen, kam zu ihr gerannt und zog sie in die Arme.
Julia erwiderte die Umarmung, als hätte sie Nick seit einer halben Ewigkeit nicht gesehen. Kaum hatte ihr Kopf seine Schulter berührt, brach sie in Tränen aus. Ihre Verwirrung und ihr Schmerz brachen sich Bahn und verdrängten die Erleichterung, der Katastrophe entronnen zu sein.
»Hör zu«, sagte Nick. »Ich habe nicht viel Zeit für Erklärungen, aber wir müssen weg von hier.«
Julia hob den Kopf und schaute ihm in die Augen. »Ich liebe dich«, sagte sie.
Nick zog sie an sich und küsste sie. Es war ein intensiver Kuss, der seine Gefühle besser ausdrückte, als er es mit Worten vermocht hätte.
Marcus war neben seinem Wagen stehen geblieben. Er räusperte sich und zog so ihre Aufmerksamkeit auf sich. Er schaltete sein Handy aus und tippte mit der Fingerspitze auf die Uhr.
Nick nahm Julia bei der Hand und führte sie zum Bentley.
»Hallo, Marcus«, sagte Julia. »Ich wusste gar nicht, dass ihr zusammen unterwegs seid.«
»Nick wollte mal in einem vernünftigen Auto unterwegs sein«, witzelte Marcus. »Schön, dich zu sehen.«
Julia wandte sich wieder an Nick. »Ich soll in Pound Ridge einen Arzt abholen und zur Absturzstelle bringen.«
»Das muss jemand anders übernehmen«, sagte Nick.
»Was ist mit meinem Wagen?«
»Mach dir darüber keine Gedanken. Wir müssen dich von hier fortschaffen – sofort.« Nick hielt die Tür auf, und Julia stieg auf die Rückbank.
»Warum so dramatisch?«
Nick setzte sich auf den Beifahrersitz, schloss die Tür und drehte sich zu ihr um. »Wegen des Einbruchs in Washington House.«
»Was weißt du davon?«, fragte Julia verwundert.
»Sagen wir einfach, es spricht sich herum.«
»Ich verstehe nicht …« Julia schüttelte den Kopf. »Woher weißt du das?«
Nick überlegt fieberhaft, denn er wollte nicht, dass Julia herausfand, was wirklich vorging. Sie sollte weder von der Taschenuhr wissen noch erfahren, was in acht Stunden mit ihr geschah, falls er es nicht verhindern konnte. Nick hatte sie schon zweimal in das Bevorstehende eingeweiht – in ihrer Küche um 18.30 Uhr, kurz vor ihrem Tod, und noch einmal um 17.30 Uhr, kurz bevor sie in ihrem Büro beschossen wurden. Beide Male hatte es nichts zu ihrer Rettung beigetragen.
»Ich habe mit Paul Dreyfus gesprochen«, sagte Nick.
»Woher kennst du Paul?«
»Ich kenne ihn nicht, er hat nur bei uns zu Hause angerufen«, antwortete Nick, der befürchtete, dass seine Lüge zu weit ging. »Wir haben uns ein bisschen unterhalten, nachdem ich mich vorgestellt hatte. Er hat mir von dem Einbruch erzählt.« Nick bekam Gewissensbisse. Noch nie hatte er Julia so angelogen.
»Merkwürdig … Ich habe gerade mit Sam Dreyfus gesprochen, seinem Bruder, vor ein paar Minuten erst. Er wollte sich mit mir treffen und die Videos von dem Einbruch sehen, die auf meinem PDA gespeichert sind.« Julia hielt ihren Palm Pilot in die Höhe.
»Was?« , rief Nick entsetzt.
Marcus ließ sofort den Motor an und fuhr los.
Er folgte dem gewundenen Abschnitt der Route 22, vorbei an Seen, Wäldern und vereinzelten Gebäuden, wobei das Tacho konstant hundert Stundenkilometer zeigte.
Nick wandte sich zu seiner Frau auf dem Rücksitz um. »Julia«, sagte er, »hör mir genau zu …«
»Ich kann es nicht leiden, wenn du so bist, Nick«, unterbrach sie ihn. »Du machst mir Angst. Sag mir einfach, was los ist.«
»Wer immer den Einbruch begangen hat, sucht jetzt nach dir und deinem PDA«, erwiderte Nick. »Und ich gehe kein Risiko ein.«
»Glaubst du nicht, dass deine Fantasie mit dir durchgeht? Ich komme schon zurecht.« Julia spannte den Arm. »Sieh dir die Muskeln an!«
»Das ist kein Scherz«, sagte Nick. »Sie werden versuchen, dich umzubringen.«
»Wenn du weißt, wer es ist, dann rufen wir die
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