Die 13. Stunde
Kriminalbeamten war, in deren Zuständigkeitsbereich die Absturzstelle lag, würde es ihm auf jeden Fall gelingen, dorthin zu kommen, wo die Trümmer aufbewahrt wurden, und den Kasten zu stehlen, ehe jemand auch nur ahnte, was geschah.
Nach Sam Dreyfus’ Verrat und Tod war es an Dance und seinen Leuten, die Spuren zu verwischen, die Überwachungsdateien zu finden und zu löschen und jeden zu beseitigen, der sie sich angeschaut haben könnte.
Als Sam Dreyfus ihn vor einem Monat kontaktiert hatte, war Dance’ erster Gedanke gewesen, er hätte es mit der Abteilung für interne Ermittlungen zu tun. Er hatte befürchtet, die »Polizei der Polizei« sei ihm auf die Schliche gekommen und wolle ihn nun mit der Aussicht auf Gold und Brillanten zu einem unüberlegten Schritt verleiten.
Doch mit den Mitteln der Recherche, die einem Detective zur Verfügung standen, hatte Dance rasch herausgefunden, dass Sam Dreyfus der unfähige jüngere Bruder des Inhabers und Gründers der DSG war, Paul Dreyfus, Entwickler des Sicherheitssystems in Hennicots Washington House. Und während Paul Dreyfus als kluger Kopf und harter Arbeiter galt, war Sam das absolute Gegenteil – der totale Versager, der stets nach mehr gierte und sein aberwitzig hohes Einkommen und den Lebensstil, den ihm letztlich sein Bruder finanzierte, nie zu schätzen wusste.
Sam Dreyfus war der perfekte Partner bei einem Verbrechen: ein Mann von schwachem Charakter, von dem Dance wusste, dass er ihn in der Hand haben würde. Dreyfus war wie ein Wunder, vom Teufel geschickt, das Dance’ Überleben sichern und Ghestov Rukaj im Zaum halten würde.
Dance hatte überlegt, Drogendealer auszurauben, Asservatenkammern zu plündern und Verbrecher zu erpressen, um an Geld zu kommen, doch keine dieser Möglichkeiten hätte ihn auch nur in die Nähe der Million Dollar gebracht, die er brauchte, um sein Leben zu retten.
Sosehr Rukajs Ultimatum ihm Angst einjagte – Dance wusste, dass er sich an niemanden wenden und nirgendwohin fliehen konnte. Der Albaner hatte überall Beziehungen; er lauschte, beobachtete und folgte jedem, dem er folgen wollte. Und für einen Detective mit Dreck am Stecken gäbe es von keiner Seite Sympathie: Typen wie Dance wurden von Polizei und Verbrechern gleichermaßen gehasst. Und Rukajs Ruf gründete sich nicht auf Gerüchte, sondern auf Tatsachen: Die Hinrichtungen, die er persönlich vorgenommen hatte, waren legendär für die endlosen Qualen, die sie den Opfern bereiteten; manche hatten stundenlang um den Tod gefleht.
Rukaj hatte Dance in der Hand.
Und der einzige Ausweg für Dance waren eine Million Dollar.
Dance hatte Sam Dreyfus viermal im Shun Lee Palace in Manhattan getroffen und war mit ihm den Ablauf des Coups, die Pläne der Alarm- und Schließsysteme und die Frage durchgegangen, wie sie ihre Beute an einen Hehler verkaufen sollten. Sam erklärte, dass es ein zweites Back-up der Überwachungsvideos geben würde, und wenn es nicht im Polizeirevier gespeichert wurde, dann in der Kanzlei von Hennicots Rechtsvertretung vor Ort.
Sam bestätigte, dass Hennicots Anwältin eine gewisse Julia Quinn von der Kanzlei Aitkens, Lerner & Isles sei und dass die Daten direkt auf ihren Computer übertragen wurden, wobei ein redundantes Back-up auf dem Server der Kanzlei abgelegt wurde. Dreyfus sollte Quinn sofort nach dem Einbruch aufsuchen unter dem Vorwand, im Interesse seiner Firma prüfen zu wollen, was geschehen war. Dabei sollte er ein Virus auf Julias Computer einschleusen, der den Beweis löschte, ehe die Daten um zwei Uhr morgens bei einer Sicherheitsfirma außerhalb der Kanzlei gespeichert wurden.
Doch nun, da Sam tot war, musste Dance selbst sich um Julia Quinn kümmern.
Er und seine Leute verstanden nichts von Computerviren und internen Sicherheitsprotokollen. Ihnen waren die Vorgehensweisen einer Anwaltskanzlei unbekannt, was Überwachungsvideos anging. Doch Dance besaß andere Mittel, um Beweismaterial verschwinden zu lassen.
Nun, nach dem Raub von Shamus Hennicots Gold und Brillanten und Dreyfus’Tod, verrann die Zeit im Eiltempo, und Dance konnte nicht riskieren, dass irgendeine Spur zu ihm führte.
Was als Einbruch aus dem Bilderbuch geplant gewesen war, hatte sich zu einer Katastrophe entwickelt. Doch der Flugzeugabsturz war dennoch ein glücklicher Augenblick an einem Morgen, der angefüllt gewesen war mit Verrat und Komplikationen. Das Unglück war eine perfekte Ablenkung: In der ganzen Stadt fiel der Strom aus, und
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