Die 2 Chance
er.
Ich schüttelte den Kopf und berichtete ihm, was ich herausgefunden hatte.
»Vielleicht ist er weitergezogen«, meinte Jacobi. »Wie wär’s, wenn ich mal reingehe, mit der Marke wedele und Coombs’ Foto zeige?«
»Nein, lass uns lieber hier sitzen und warten.«
Wir warteten über zwei Stunden. Observierungen sind schrecklich stumpfsinnig. Jeder normale Mensch würde dabei den Verstand verlieren. Wir starrten auf das Hotel und unterhielten uns über Helen Keating und das, was Jacobis Frau zum Abendessen gekocht hatte. Wir redeten über die 49er und wer mit wem aus dem Präsidium schlief. Jacobi holte uns Sandwiches.
Um zehn Uhr meinte Jacobi mürrisch: »Das kann ja ewig dauern. Warum lässt du mich nicht reingehen, Lindsay?«
Wahrscheinlich hatte er Recht. Wir wussten nicht mal, ob Helen Keatings Information aktuell war. Sie hatte die Telefonnummer vor Wochen aufgeschrieben.
Gerade wollte ich nachgeben, als ein Mann an der Larkin um die Ecke bog und aufs Hotel zuschritt. Ich packte Jacobis Arm. »Sieh mal dort drüben.«
Es war Coombs
. Ich erkannte den Hurensohn auf Anhieb. Er trug eine Armeejacke, hatte die Hände in die Taschen gesteckt und einen weichkrempigen Hut tief ins Gesicht gezogen.
»Dieser verfluchte Wichser«, murmelte Jacobi.
Ich musste mich gewaltig zusammenreißen, um nicht aus dem Auto zu springen und ihn gegen die Wand zu knallen. Nein, ich musste ihn ungehindert zum Hotel gehen lassen. Ich wünschte mir, ich könnte ihm Handschellen anlegen. Ja, jetzt hatten wir die Chimäre. Wir wussten, wo sie war.
»Ich möchte, dass er vierundzwanzig Stunden überwacht wird«, sagte ich zu Jacobi. »Sobald es aussieht, als wolle er sich verdrücken, festnehmen! Die Anklage überlegen wir uns danach.«
Jacobi nickte.
»Ich hoffe, du hast eine Zahnbürste mitgebracht.« Ich zwinkerte ihm zu. »Du übernimmst die erste Wache.«
Zugegeben, sie hatte eine Scheißangst, als sie mit Aaron Winslow Hand in Hand zu ihrer Wohnung ging. Es war das fünfte Mal, dass Cindy mit ihm ausgegangen war. Sie hatten Cyrus Chestnut und Freddie Hubbard im Blue Door gehört, waren in der Oper gewesen,
La Traviata
, hatten die Fähre über die Bucht genommen und in einem winzigen jamaikanischen Café, das Aaron kannte, etwas getrunken. Heute Abend hatten sie diesen traumhaften Film gesehen –
Chocolat
.
Ganz gleich, wie dieser Abend enden würde, sie war ausgesprochen gern mit ihm zusammen. Er war anders als die meisten Männer, mit denen sie ausgegangen war, und er war eindeutig äußerst sensibel. Er las nicht nur außergewöhnliche Bücher, er lebte auch das Leben gemäß den Idealen, die er predigte. Er arbeitete zwölf bis sechzehn Stunden pro Tag und war in seiner Gemeinde sehr beliebt. Trotzdem gelang es ihm, sein Ego unter Kontrolle zu halten. Wenn Cindy Menschen für den Artikel über Aaron Winslow befragt hatte, hatte sie immer wieder gehört, dass er wirklich ein selten guter Mensch war.
Aber Cindy hatte die ganze Zeit über gewusst, dass dieser Moment einmal kommen würde. Anfangs war er in weiter Ferne gewesen, dann näher und näher gekommen. Die Bombe tickte. Das war doch die natürliche Folge, sagte sie sich. Lindsay würde sagen: Das Schützenloch steht kurz vor der Eroberung.
»Du bist so still heute Abend, Cindy«, sagte Aaron Winslow. »Ist alles in Ordnung?«
»Alles bestens«, antwortete sie. Für sie war er der sympathischste Mann, mit dem sie je ausgegangen war. Aber,
mein Gott, Cindy, er ist ein Geistlicher. Warum hast du daran nicht früher gedacht? Hältst du es wirklich für eine gute Idee? Überlege es dir genau. Tu ihm nicht weh. Tu dir selbst nicht weh.
Sie blieben vor dem Eingang zu ihrem Haus stehen, im hell erleuchteten Torbogen. Er sang eine Zeile aus einem alten R&R-Song, »I’ve Passed This Way Before«. Er hatte auch eine gute Stimme.
Es gab keine Galgenfrist mehr. »Aaron, hör mal, jemand muss das jetzt sagen. Willst du noch mit raufkommen? Ich würde mich sehr freuen, wenn du ja sagen würdest, und unglücklich sein, wenn du ablehnst.«
Er lächelte. »Ich weiß nicht genau, wohin das führt, Cindy. Es wächst mir ein bisschen über den Kopf. Ich – hm – ich bin noch nie mit einer Blondine ausgegangen. Ich habe auch nie mit so was gerechnet.«
»Das kann ich dir gut nachfühlen.« Sie lächelte ebenfalls. »Aber es ist nur zwei Stockwerke hoch. Dort können wir uns weiter unterhalten.«
Seine Lippe zitterte leicht, und als er ihren Arm berührte, lief ihr ein
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