Die 2 Chance
vielleicht, wo er sich aufhält.«
»Weshalb rufen Sie nicht seinen Bewährungshelfer an? Ich bin das nicht.«
»Er ist untergetaucht, Tom. Seit vier Wochen. Hat seinen Job geschmissen.«
»Ach was! Jetzt kümmert sich die Mordkommission auch um Leute, die gegen die Bewährungsauflagen verstoßen?«
Ich hielt Keatings Blick fest. »Was meinen Sie, Tom?«
»Wieso glauben Sie, dass ich etwas wüsste?« Er schaute auf seine Beine. »Das sind alte Geschichten. Vorbei und vergessen.«
»Ich habe gehört, ihr beiden hättet Verbindung gehalten. Es ist wirklich wichtig.«
»Also, Sie verschwenden hier bloß Ihre Zeit, Lieutenant«, erklärte er und wurde unvermittelt förmlich.
Ich wusste, dass er log. »Wann haben Sie das letzte Mal mit Coombs gesprochen?«
»Vielleicht kurz nachdem er raus war. Und ein- oder zweimal danach. Er brauchte ein bisschen Hilfe, um wieder auf die Beine zu kommen. Schon möglich, dass ich ihm ein bisschen geholfen habe.«
»Und wo hat er gewohnt, während Sie ihm ein bisschen geholfen haben?«, fragte Jacobi.
Keating schüttelte den Kopf. »In irgendeinem Hotel auf Eddy oder O’Farrell. War nicht das St. Francis«, sagte er.
»Und seitdem haben Sie nicht mehr mit ihm gesprochen?« Ich schaute Helen Keating an.
»Was wollt ihr überhaupt von dem Mann?«, fragte Keating barsch. »Er hat seine Zeit abgesessen. Warum lasst ihr ihn nicht in Ruhe?«
»Es wäre einfacher, wenn Sie mit uns sprechen würden, Tom«, sagte ich.
Keating schürzte die trockenen Lippen und überlegte, auf welche Seite er sich schlagen sollte.
»Sie haben dreißig Jahre lang Dienst gemacht, richtig?«, sagte Jacobi.
»Vierundzwanzig.« Er tätschelte sein Bein. »Das Ende kam etwas früher.«
»Vierundzwanzig gute Jahre. Es wäre eine Schande, jetzt diesen Dienst zu beschmutzen, indem Sie nicht mit uns kooperieren…«
»Wollen Sie wissen, wer ein gottverdammter Experte auf dem Gebiet
mangelnder Kooperation
war? Frank Coombs. Der Mann hat lediglich seine Arbeit gemacht, und alle diese Wichser, seine angeblichen Freunde, haben weggeschaut. Vielleicht macht ihr jetzt ja alles besser. Mit euren Gemeindeaktionen-Treffen und dem Sensibilitätstraining. Damals mussten wir dafür sorgen, die Bösen von der Straße zu verjagen. Mit den Mitteln, die wir hatten.«
»Tom.« Seine Frau hob die Stimme. »Frank Coombs hat einen Jungen umgebracht. Diese Leute hier sind deine Freunde. Sie wollen mit ihm sprechen. Ich weiß nicht, wie weit du dieses Pflicht-und-Loyalitätsding treiben willst. Deine Pflicht ist hier.«
Keating warf ihr einen wütenden Blick zu. »Ja, klar, meine Pflicht ist hier.« Er nahm die Fernbedienung und schaute wieder mich an. »Sie können den ganzen Tag hierbleiben, wenn Sie dazu Lust haben. Ich habe keinen blassen Schimmer, wo Frank Coombs ist.«
Dann stellte er den Ton des Fernsehers lauter.
»Scheiße!«, sagte Jacobi wütend, als wir das Haus verließen. »Arschloch alter Schule.«
»Wir sind schon die halbe Peninsula abgefahren«, sagte ich. »Wollen wir nach Stanford weiterfahren? Und Frankies Jungen besuchen?«
»Klar, warum nicht, zum Teufel«, meinte er schulterzuckend. »Ein bisschen Bildung könnte nicht schaden.«
Wir fuhren zurück auf die 208 und waren eine halbe Stunde später in Palo Alto.
Dann kamen wir auf den Campus – hohe Palmen säumten die Straße, prächtige ockerfarbene Gebäude mit roten Dächern, und über dem Hauptplatz, dem Main Quad, der majestätisch aufragende Hoover Tower. Ich spürte den Zauber des Campuslebens. Jeder dieser Studenten war etwas Besonderes und hatte Talent. Selbst ich war irgendwie stolz, dass Coombs’ Sohn es trotz seiner harten Kindheit so weit gebracht hatte, hier zu studieren.
Wir erkundigten uns im Verwaltungsbau am Main Quad. Die Dekanatssekretärin sagte uns, Rusty Coombs sei wahrscheinlich beim Football-Training. Sie meinte, Rusty sei ein guter Student und ein hervorragender Sportler. Wir fuhren zur Sporthalle. Ein Student mit roter Stanford-Kappe führte uns die Treppe hoch und bat uns, vor dem Kraftraum zu warten.
Gleich darauf kam ein kräftig gebauter junger Mann mit hellroten Haaren in einem verschwitzten T-Shirt mit dem Aufdruck »Cardinals« heraus. Rusty Coombs’ freundliches Gesicht zierten Sommersprossen. Er hatte nicht die düstere Streitlust, die ich auf den Fotos seines Vaters gesehen hatte.
»Ich schätze, ich weiß, weshalb Sie hier sind«, sagte er. »Meine Mom hat angerufen und mir Bescheid gesagt.«
Im
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