Die 2 Chance
ihm in die Augen schauen. Ich hoffte, dass er noch lebte, weil ich wollte, dass mich dieses Ungeheuer sah, wenn es den letzten Atemzug machte.
Polizisten in Uniform hatten einen Schutzring um Coombs gebildet und ließen niemanden durch.
Coombs lebte tatsächlich noch. Aus seiner breiten Brust kamen röchelnde Laute. Ein Notarzt-Team, eine Frau und ein Mann, lief herbei. Die Notärztin öffnete Coombs’ blutgetränktes Hemd, der Sanitäter legte eine Infusion an und maß seinen Puls.
Dann trafen sich unsere Blicke
. Coombs’ Augen waren wächsern, aber dann verzog sich sein Mund zu einem widerlichen Grinsen. Er wollte mir etwas sagen.
Die Notärztin wollte niemanden in seine Nähe lassen.
»Ich muss hören, was er sagt«, erklärte ich entschieden. »Geben Sie mir eine Minute.«
»Er kann nicht sprechen«, sagte sie. »Lassen Sie ihm Raum zum Atmen, Lieutenant. Er stirbt uns unter den Händen weg.«
»Ich muss es hören«, wiederholte ich und kniete mich neben ihn. Coombs’ Uniformhemd war geöffnet. Ich sah ein Mosaik aus hässlichen Wunden.
Seine Lippen bebten. Er bemühte sich immer noch zu sprechen.
Was wollte er mir sagen?
Ich beugte mich noch näher. Das Blut von seinem Hemd verschmierte meine Bluse. Das war mir egal. Ich legte mein Ohr dicht an seine Lippen.
»Eine letzte…«, flüsterte er. Jeder Atemzug war für ihn ein Kampf. Endete es so? Dass Coombs sein Geheimnis direkt in die Hölle mitnahm?
Ein letztes…? Ein letztes Ziel? Ein letztes Opfer?
Ich starrte ihm in die Augen und sah, dass sie immer noch voller Hass waren.
»Ein letztes
was
, Coombs?«, fragte ich.
Blut sprudelte aus seinem Mund. Er rang nach Luft, dann nahm er seine gesamte Kraft zusammen und wehrte sich gegen den Tod.
»Eine letzte
Überraschung
.« Er lächelte.
Die Chimäre war tot. Es war vorüber. Gott sei Dank.
Ich hatte keine Idee, was Coombs gemeint hatte, aber am liebsten hätte ich ihm die Worte zurück ins Gesicht gespuckt.
Eine letzte Überraschung
… Was immer es sein mochte – die Chimäre war tot. Er konnte uns nicht mehr wehtun.
Ich hoffte, er hatte nicht ein letztes Opfer zurückgelassen, ehe er starb.
»Komm, Lieutenant«, sagte Jacobi und zog mich hoch.
Plötzlich wurden mir die Knie weich. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich keine Kontrolle mehr über den unteren Teil meines Körpers. Ich sah die Bestürzung auf Warrens Gesicht.
»Du bist angeschossen«, sagte er mit großen Augen.
Ich schaute seitlich an mir hinab. Jacobi streifte meine Jacke zurück. Auf der rechten Seite des Unterbauchs war ein dicker roter Fleck. In meinem Kopf drehte sich alles.
»Wir brauchen hier Hilfe«, rief Jacobi der Notärztin zu. Dann legte er mich mit Cappy behutsam zurück auf die Stufen.
Ich konnte den toten Coombs sehen, als die Notärztin zu mir lief.
Herrgott, das alles war so unwirklich
. Sie zogen mir die Jacke aus und schnallten mir eine Blutdruckmanschette um den Arm. Ich hatte das Gefühl, als geschehe das alles jemand anderem.
Ich konnte den Blick nicht von dem Mörder lösen. Diese gottverdammte Chimäre. Da kam mir ein beunruhigender Gedanke. Etwas störte mich. Aber was?
Ich löste mich aus Jacobis Griff. »Ich muss nach etwas sehen…«
Er hielt mich zurück. »Du bleibst, wo du bist, Lindsay.«
Ich wehrte Jacobi ab, stand auf und ging zur Leiche. Man hatte Coombs die Polizeiuniform ausgezogen. Arme und Brust waren unbedeckt. Ich sah die Wunden in der Brust. Aber etwas fehlte. Etwas stimmte nicht. Was?
»O mein Gott, Warren«, flüsterte ich. »Sieh dir das an!«
»Was soll ich mir ansehen?«
Jacobi runzelte die Stirn. »Was, zum Teufel, ist los mit dir?«
»Warren… keine Tätowierung.«
Claire hatte unter Estelle Chipmans Fingernägeln Pigment von der Tätowierung des Mörders gefunden.
Ich legte die Hände unter Coombs’ Schultern und drehte ihn auf die Seite.
Auch auf dem Rücken war nichts. Nirgendwo eine Tätowierung
.
In meinem Kopf drehte sich alles. Es war undenkbar – aber Coombs konnte nicht die Chimäre sein.
Danach verlor ich das Bewusstsein.
Im Krankenzimmer öffnete ich die Augen und fühlte den lästigen Schlauch der Infusion im Arm.
Claire beugte sich über mich.
»Du bist ein Glückspilz«, sagte sie. »Ich habe mit den Ärzten gesprochen. Die Kugel hat dein rechtes Abdomen gestreift, ist aber nicht eingedrungen. Im Grunde hast du nur eine äußerst scheußliche Schürfwunde.«
»Ich habe gehört, dass Schürfwunden gut zu hellblau passen, richtig?«, sagte
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