Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
weich ums Herz.
»Aber ich will kein Lied über ihn. Ich will den Narren, so wie er war, lebendig und ganz.«
»Tot ist tot«, sagte der Mann mit der Bullenstimme, doch er sagte es sanft. »Wenn du deine Erinnerungen für uns öffnen willst, werden wir dir Lieder weben. Selbst mit deiner Stimme werden diese Lieder leben, denn echte Barden werden sie dich singen hören und sich wünschen, sie zu singen, wie sie gesungen werden sollten. Willst du das tun?«
»Nein. Bitte, Fitz, nein. Lass es sein. Lass es vorbei sein.« Es war ein Flüstern am Rand meiner Sinne, kaum mehr als ein Hauch von Worten. Ich schauderte vor Hoffnung, aber auch vor Furcht.
»Narr«, hauchte ich und betete, dass ich irgendeine Form von Antwort erhalten würde.
Stattdessen ertönte eine wahre Kakophonie. Die Gedanken waren nicht mehr voneinander zu unterscheiden, als fünf Federbarden mir gleichzeitig ein Dutzend nicht zu beantwortender Fragen zuschrien. Schließlich übertönte die Bullenkehle alle anderen.
»Er ist hier! Bei uns. In der Krone. Er hat sein Blut in die Krone gegeben!«
Doch vom Narren kam keine Antwort, und so sprach ich für ihn. »Die Krone war zerbrochen. Er hat sie mit seinem Blut geflickt.«
»Die Krone war zerbrochen?« Das alte Weib war entsetzt. »Das hätte unser aller Ende bedeutet! Für immer!«
»Er kann nicht in der Krone bleiben! Er ist nicht erwählt worden. Außerdem gehört die Krone uns allen. Wenn er sie nimmt, werden wir nicht sprechen können, außer durch ihn.« Der junge Mann war außer sich vor Wut darüber, dass der Narr in sein Territorium eingedrungen war.
»Er muss gehen«, schloss auch der Mann mit der Bullenstimme. »Es tut uns sehr Leid, aber er muss gehen. Es ist weder richtig noch angemessen, dass er hier ist.«
»Er ist nicht auserwählt worden.«
»Er ist nicht eingeladen worden.«
»Er ist nicht willkommen.«
Sie gaben mir keine Zeit, meine Meinung kundzutun. Die Krone saß fest um meine Stirn und zog sich nun noch fester. Ich legte die Hände daran, denn sie schienen sich von meinem Körper wieder in die Krone zurückgezogen zu haben, um dort zu tun, was auch immer sie taten. Ich versuchte, mir die Krone vom Kopf zu reißen, bekam aber noch nicht einmal einen Fingernagel zwischen sie und meine Haut. Entsetzt erkannte ich, dass sie mit meinem Fleisch verschmolz. Sie verschmolz mit mir wie eine Kordiale mit einem Steindrachen. »Nein!«, brüllte ich. Ich schüttelte den Kopf und griff nach ihr. Sie wollte nicht nachgeben. Schlimmer noch, sie fühlte sich nicht länger wie Holz unter meinen Fingern an, sondern vielmehr wie ein Band aus Fleisch. Als ich daraufhin mit einem mulmigen Gefühl nach den Federn tastete, fühlten sie sich so weich an wie die eines echten Hahns. Mir wurde übel.
.Zitternd ging ich zu dem Scheiterhaufen zurück und ließ mich neben dem Narren darauf nieder. Ich spürte keinen Kampf in der Krone, nur die gemeinsame Anstrengung der fünf Barden. Der Narr leistete ihnen keinen Widerstand; er wusste schlicht nicht, wie er tun sollte, was sie von ihm verlangten. Ich hatte nicht länger etwas in dieser Angelegenheit zu sagen. Es war, als würde ich einem Streit auf der anderen Seite des Marktplatzes zuhören, einem Streit, mit dem ich nichts zu tun hatte. Sie würden ihn aus der Krone zwingen, und dann wäre er wirklich für immer gegangen. Und ich konnte nichts dagegen tun.
Ich legte mir seinen Leib auf den Schoß und hielt ihn fest. Er war nicht länger steif, sondern schlaff. Seine Hand fiel auf einer Seite herunter, und ich legte sie ihm wieder auf die Brust. Irgendetwas an der Art, wie er sich so leblos bewegen ließ, weckte eine uralte Erinnerung in mir. Ich runzelte die Stirn. Das war nicht meine Erinnerung. Es war Nachtauges, und er sah sie mit den Augen eines Wolfs. Das Licht war das Licht der Jagd, und die Farben waren gedämpft. Doch ich war auch dort gewesen. Irgendwie. Und dann fiel es mir wieder ein.
Der Graue, Chade, lehnt auf einer Schaufel. Sein Atem bildet weiße Wolken in der Luft. Er steht ein Stück entfernt,
um
uns nicht zu verängstigen. Dem-wir-folgen ist derjenige, der an meinem Grab sitzt. Seine Füße baumeln im Loch vor ihm, unter ihm mein zersplitterter Sarg. Er hat meinen Leichnam auf dem Schoß. Er winkt dem Wolf näher zu kommen. Seine Alte Macht ist stark, und Nachtauge bringt es nicht über sich, Dem-wir-folgen den Gehorsam zu verweigern. Dem-wir-folgen spricht zu uns, ein steter Strom beruhigender Worte. »Komm zurück. Es
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