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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Verlust nicht überleben. »Lebwohl, FitzChivalric Weitseher.« Ich nahm die Krone in beide Hände, um sie ihm auf die Stirn zu setzen. Plötzlich hatte ich das Gefühl, als wäre mein ganzes Leben nur auf diesen einen Moment hinausgelaufen. Es kam mir so grausam vor, dass der stärkste Strom meines Lebens mich zu diesem Augenblick des absoluten, vollkommenen Verlustes getrieben hatte. Doch mir blieb keine andere Wahl. Einige Dinge konnte man schlicht nicht ändern. Es war an der Zeit, den Hofnarren des Königs zu krönen und ihn auf den Weg zu schicken.
    Ich hielt inne.
    Meine Hände bewegten sich nicht mehr, und ich hatte das Gefühl, als stunde ich allein gegen das Schicksal und würde dem Strom der Zeiten trotzen. Ich wusste, was ich tun musste. Ich sollte meinen Narren krönen und dann den Scheiterhaufen mit dem verbliebenen Öl übergießen. Ein Funke, höchstens zwei würden für den vom Sommer ausgetrockneten Zunder reichen. Der Narr würde zu nichts verbrennen, und sein Rauch würde mit dem Sommerwind über dem Land jenseits des Bergreichs aufsteigen. Dann würde ich durch den Pfeiler wieder nach Aslevjal zurückkehren. Ich würde Dick abholen, zu der kleinen Bucht gehen und dort auf das Schiff warten, das uns abholen würde. Das war richtig, das war unvermeidlich, das war der Kanal, durch den die ganze Welt fließen wollte. Das Leben würde ohne den Narren weitergehen, denn er war gestorben. Ich sah das alles so deutlich, als hätte ich schon immer gewusst, dass es so kommen würde.
    Er war tot. Nichts konnte das ändern.
    Aber ich war der Wandler.
    Plötzlich stand ich wieder auf. Ich hielt die summende Krone hoch über meinen Kopf und schüttelte sie gegen den Himmel. »Nein!«, brüllte ich. Ich weiß bis heute nicht, zu wem ich gesprochen habe. »Nein! Es soll anders sein! Nicht so! Was auch immer du von mir willst, nimm es! Aber lass es nicht so enden! Lass ihn mein Leben nehmen, und gib mir seinen Tod. Lass ihn ich sein und mich er. Ich nehme seinen Tod! Hörst du mich? Ich nehme seinen Tod als meinen eigenen!«
    Ich hob die Krone zur Sonne. Durch meine Tränen hindurch strahlte ihr Licht in allen Farben des Regenbogens, und die Federn schienen sich leicht in der Sommerbrise zu wiegen. Dann riss ich die Krone förmlich mit körperlicher Kraft aus dem vorbestimmten Pfad der Zeit und setzte sie mir selbst aufs Haupt. Als die Welt sich um mich herum zu drehen begann, legte ich mich auf den Scheiterhaufen, schlang die Arme um meinen Freund und ergab mich dem, was auch immer mich nun erwartete.

Sie war das reichste Mädchen der Welt, denn sie hatte nicht nur einen edlen Vater, viele Seidengewänder und so viele Halsketten und Ringe, dass noch nicht einmal ein Dutzend Mädchen sie gleichzeitig hätten tragen können, sondern sie hatte auch ein kleines graues Kästchen, geschnitzt aus dem Schoß eines Drachen. Und da herinnen, zu feinem Pulver zermalen, befanden sich all die glücklichen Erinnerungen der weisesten Prinzessinnen, die je gelebt hatten. Wann immer sie also ein wenig traurig war, musste sie nur ihr kleines Kästchen öffnen, ein winziges Stück Erinnerung schniefen, und - hatschi! -, sie war wieder glücklich.
    Alte jamailianische Geschichte

    Ich stolperte in der Dunkelheit. Es war wie ein unerwarteter Sprung.
    »Blut ist Erinnerung.« Ich schwöre, irgendjemand flüsterte mir das ins Ohr.
    »Blut ist, wer wir sind«, stimmte ihm eine junge Frau zu. »Blut erinnert sich, wer wir sind. Durch Blut wird man sich an uns erinnern. Arbeite es gut in das Holz aus dem Schoß.«
    Irgendjemand lachte, eine alte Frau mit nur noch wenigen Zähnen. »Sag das sechs Mal schnell hintereinander!«, gackerte sie. Und sie tat es. »Arbeite es gut in das Holz aus dem Schoß. Arbeite es gut in das Holz aus dem Schoß. Arbeite es gut in das Holz aus dem Schoß. Arbeite es gut in das Holz aus dem Schoß. Arbeite es gut in das Holz aus dem Schoß. Arbeite es gut in das Holz aus dem Schoß.«
    Die anderen lachten amüsiert darüber, wie sich ihre Zunge verknotete. »Jetzt versucht ihr es einmal!«, forderte sie uns heraus.
    »Arbeite es gut in das Holz aus dem Schoß«, sagte ich gehorsam.
    Doch das war ich nicht.
    Da waren fünf andere Leute in mir, blickten aus meinen Augen, leckten sich mit der Zunge über meine Zähne und kratzten sich den Bart mit meinen schmutzigen Fingernägeln. Sie atmeten meinen Atem und genossen den Geschmack des Waldes in der frischen Nachtluft. Sie schüttelten mein Haar und lebten

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