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Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache

Titel: Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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jemand, der neben mir gegessen und mir am Feuer in die Augen geschaut hatte. Es warf mein ganzes Weltbild über den Haufen, dass er plötzlich nur noch Futter für die Kreatur sein sollte, die wir geweckt hatten.
    In diesem Augenblick erfasste ich auch vage zum ersten Mal, in welchem Ausmaß unsere Taten die Welt verändert hatten. Das war kein Steindrache, der die Seelen von Helden in sich trug und erwacht war, um uns zu retten. Das war eine gigantische Kreatur aus Fleisch und Blut mit schier unglaublichem Appetit und dem Willen zu überleben; was das die Menschen kostete, war ihr dabei vollkommen egal.
    Benommen hob ich den Blick und suchte nach einer Fluchtmöglichkeit. Ich befand mich nicht unmittelbar vor Eisfeuer, aber ich gehörte zur Beute, die sich am nächsten von ihm befand. Entsetzt sah ich blutüberströmte Männer zum Rand der Grube kriechen, wo sie staunend innehielten und das Ding anstarrten, das wir befreit hatten. Burrich war dort, die Hand auf Flinks Schulter gelegt, Kräusel mit seinen gierigen Bardenaugen und Gentil. Die Katze zu seinen Füßen war doppelt so groß wie sonst; sie hatte sämtliche Haare am Leib gesträubt. Vergebens hielt ich nach Chade und Pflichtgetreu Ausschau, und ich fürchtete schon, dass sie gestorben waren. Nicht weit von mir entfernt sah ich einen Fuß und hoffte, dass noch ein Körper unter dem Schnee daran hing. Wer war das? Ich sah, wie Flink in meine Richtung deutete und aufgeregt mit Burrich redete, und dann öffnete der alte Narr den Mund und schrie: »Fitz! Fitz, mach, dass du da wegkommst! Flieh!«
    Und der Kopf des Drachen drehte sich in Richtimg des schreienden Burrich. Ich sah, wie der Blick der silbern und schwarz wirbelnden Augen sich auf den Mann richteten, der mich großgezogen hatte. Ich sah, wie der Kopf auf dem langen Hals sich hob, und ich schrie: »Nein!«, doch meine eigenen Worte klangen nur wie ein Flüstern in meinen Ohren.
    Burrich schien trotz seiner Blindheit zu wissen, dass er die Aufmerksamkeit des Drachen erregt hatte, denn er versetzte Flink einen kräftigen Stoß und warf ihn so mit dem Gesicht voran in den Schnee. Unbewaffnet drehte er sich zu dem Drachen um.
    Und dann warf mich eine zweite Schockwelle zu Boden. Plötzlich schien die Erde unter mir nachzugeben. Eisfeuer kämpfte ebenfalls darum, das Gleichgewicht zu behalten. Die zerfetzten Flügel ausgebreitet, versuchte er, sich am Grubenrand festzuhalten. Männer flohen vor ihm, als er sich aus der Grube wuchtete. Dabei fiel das Eis unter ihm in ein klaffendes Loch. Während ich mich noch an den Grubenrand klammerte, erkannte ein Teil von mir, was geschehen war. Eisfeuers Kampf und vermutlich auch Chades Explosionspulver hatten die Decke des Thronraums der Bleichen Frau geschwächt, und jetzt fiel sie ihr auf den Kopf.
    Ich hoffte von ganzem Herzen, dass sie unter der Lawine begraben wurde. Ich blickte in das Loch hinunter und sah Eisbrocken in die Tiefe stürzen. Kurz fragte ich mich, ob so vielleicht ein Zugang zum Eispalast frei werden würde, durch den ich zum Narren gelangen und ihn befreien könnte - falls er noch lebte. Wahrscheinlicher war jedoch, dass das herabstürzende Eis den Raum vollständig vernichtete. So würde der Narr wenigstens ein rasches Ende finden, sagte ein Teil von mir, doch ich brüllte: »Nein! Nein, nein, nein! Geliebter Narr! Nein!«
    Wie zur Antwort auf meinen Schrei bewegte sich etwas im Eis unter mir. Ich starrte hinab, unfähig, die Kraft zu begreifen, die diese Massen bewegte. Dann hörte die Bewegung auf.
    Ich klammerte mich an die Eiskante und schrie erschrocken auf, als Pflichtgetreus Hand mich unvermittelt packte. »Komm herauf!«, bellte er mich an, und ich wusste plötzlich, dass er mich schon mehrmals gerufen hatte. Eisfeuer hatte sich fast vollständig aus der Grube befreit. Die anderen schienen geflohen zu sein. Außer Pflichtgetreu und mir sah ich nur zwei Leichen.
    Mit Pflichtgetreus Hilfe kletterte ich aus dem Loch. »Wo ist Chade? Wir müssen fliehen!«, brüllte ich ihn an. Er machte eine weit ausholende Geste, die zu sagen schien, dass die anderen den Hügel hinuntergeflohen waren, in Richtung Lager. Dann öffnete er weit den Mund, während seine Augen vor Entsetzen aus den Höhlen zu quellen schienen. Ich drehte mich um, denn er starrte in das Loch hinab. Dort unten, inmitten der Eistrümmer, wühlte sich der Drache der Bleichen Frau nach oben. Das Leben hatte ihm keine Eleganz verliehen. Er war noch immer eine grob behauene Kreatur,

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