Die 2ten Chroniken von Fitz dem Weitseher 04 - Der wahre Drache
Fingernägeln einer Frau im Kampf gegen einen Lederpanzer. Ich fragte mich, ob Raubart überhaupt Blut hatte, dass er hätte vergießen können. Oder bestand er nur aus Stein, der durch reine Willenskraft zum Leben erweckt worden war?
Und was konnte solch einen Steindrachen töten? Wenn seine Haut für eine solch mächtige Kreatur wie Tintaglia nicht zu durchdringen war, wer oder was sollte es dann schaffen?
Welle auf Welle von Gabenhass strahlte von Raubart aus. Ich fühlte seine Verwirrung und seine Frustration, während er versuchte, seinen machtvollen, aber ungelenken Körper der geschickten Angreiferin anzupassen. Er mochte ja zum Leben erwacht sein, dennoch war er noch unvollendet. Seine Beine scharrten im Eis unter ihm, doch sie brachten ihn nicht aus der Grube. Unbeholfen entfaltete er einen Flügel, schlug jedoch weder damit, noch nahm er ihn wieder an den Körper, sodass er einfach nur nutzlos hing. Nachdenklich zuckte Raubarts mächtiger Kopf von einer Seite zur anderen in dem sinnlosen Bemühen, das entschlossene Weibchen abzuschütteln.
Tintaglias silberne Augen rollten herum, um Eisfeuers Fortschritt zu begutachten. Er kam elend langsam voran. Als er sich beim Klettern auf die Hinterbeine stützte, wurden die Folgen seiner langen Gefangenschaft im Eis noch offensichtlicher. Ich konnte seine Brustknochen durch die schuppige Haut sehen. Er erinnerte mich an einen Vogelkadaver, der schon halb von Ameisen aufgefressen war. Er breitete seine zerfetzten Flügel aus. Als er sie probeweise schüttelte, zog eine Wolke kranken Tiergestanks an mir vorbei. Mehrmals wand er den langen Hals und schlug mit dem Schwanz wie ein Mann, der seinen Kleidern schon lange entwachsen war. Dabei nahm er sich auffällig viel Zeit. Der Kampf unter ihm schien ihn nicht zu interessieren. Er machte sich mit der Nase an seinen Flügeln zu schaffen, fast wie ein sich putzender Vogel. Dann breitete er die Flügel aus. Er schlug einmal damit, langsam, und beim dritten Mal schlug er so kräftig, dass der Schnee beiseite flog und Luft durch die Risse in ihnen zischte. Plötzlich legte er sich in seine Flügel, und seine muskulösen Hinterbeine trieben ihn vorwärts und hinauf. Schwerfällig wuchtete er sich aus dem Eis wie ein unbeholfener Seevogel. Doch nachdem seine Klauen den Boden verlassen hatten, schien er sich endlich von seinen Fesseln befreit zu haben. Stetig stieg er nach oben.
Ich erhaschte einen Blick auf Risk, die hoch über uns kreiste, und ich fragte mich, was sie wohl beim Anblick eines solch gewaltigen Wesens empfand, das zu ihr emporstieg. Tintaglia war offenbar zu dem Schluss gelangt, dass sich Eisfeuer nun weit genug von dem unbeholfenen Steindrachen entfernt befand, und unvermittelt ließ sie Raubart los. Sie sprang leichtfüßig wie eine Eidechse und erhob sich in die Luft. Ihre silberblauen Flügel entfalteten sich elegant, und mit zwei Schlägen begann sie ihren Aufstieg gen Himmel.
Zu spät schien Raubart zu bemerken, dass er nicht länger angegriffen wurde. Er warf den Kopf zurück und brüllte uns seinen Hass entgegen. Dann blickte er mit einem schlammfarbenen Auge in den Himmel. Sein Hals war kürzer und dicker als der der wahren Drachen. Ein tiefes, bösartiges Grollen drang aus seiner Kehle.
Die Gabenbotschaft der Bleichen Frau an ihn trug die Kraft des wilden Zorns in sich. Ich war nicht das Ziel ihres Gedankens, doch ich fühlte ihn an mir vorüberstreichen und hatte keinerlei Probleme, die Botschaft zu verstehen. Ihre Gabenstärke hatte nachgelassen. Vielleicht hatte sie sich bei der Erweckung des Steindrachens verausgabt. Sie zwang ihre Gedanken durch einen Sumpf aus Schmerz.
Töte die Drachen! Einen von ihnen, alle beide, aber wenigstens einen! Kümmere dich nicht um die Menschen. Sie können dir kein Leid zufügen. Später kannst du sie verschlingen, wenn du willst. Doch nun räche dich zuerst an den Sechs Provinzen. Töte ihre Drachen, Raubart!
Und in diesem Augenblick drehte Raubart den schweren Kopf und schnappte nach Tintaglias Schwanz. Seine steinernen Kiefer schlossen sich um die peitschende Schwanzspitze, und aus Tintaglias elegantem Flug wurde ein wilder Sturz. Sie schrie auf, und ich sah Eisfeuer den Hals drehen und auf den Kampf am Boden schauen. Er wendete und setzte zum Sturzlug an. Der Steindrache hatte inzwischen gelernt, die Flügel auszubreiten, und im Zuge seiner unbeholfenen Bemühungen, Tintaglia nach unten zu reißen, schien er auch zu lernen, wie er sie benutzen musste. Ohne
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