Die 33 tollsten Ängste ...: ... und wie man sie bekommt (German Edition)
eine Form von Fatalismus, garniert mit einem Hauch negativer Zukunftserwartung und moralischer Egozentrik.
»German Angst« entspringt wohl originär der Vorsicht des Nordmannes, der für die kalte Jahreszeit Vorräte anlegen musste, um nicht zu verhungern. Daher war sein Lebenswandel stets geprägt von Vorsicht und Berechnung. Die Bewohner südlicherer Regionen gelten dagegen als glücklicher, sind aber meist hungrig.
Neben den alltäglichen, der Depression ähnlichen Formen erscheint die »German Angst« auch in der Außenpolitik: als eine Art Zaudern. Deutschland wägt so lange ab, ob Gewalt gegen einen Diktator angewendet werden darf, bis dieser alle Oppositionellen eliminiert und sich das Problem somit erledigt hat. Wir seufzen dann einmal tief und zweifeln andernorts weiter. Unser kollektives Verhalten ähnelt darin auch dem individuellen: Andere Nationen vergleichen unsere Regierungen in ihrer Entscheidungsfreude gerne mit Eltern, die so lange diskutieren, ob sie ihren Kindern das Tischdecken zumuten können, bis diese ausgezogen sind. Jahrzehntelang kämpfte Deutschland um die Möglichkeit, am zentralen Tisch der Weltpolitik zu sitzen und mitzuentscheiden. Und was war konsequenterweise unsere erste Amtshandlung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen? Eine Enthaltung.
Diese Regeln der »German Angst« lassen sich ohne Weiteres auch im Privatleben anwenden. Zu Silvester kann man an Dutzenden unterschiedlicher Veranstaltungsorte Karten oder in Restaurants Sitzplätze reservieren – um dann letzten Endes zuhause mit Freunden einen Spieleabend zu machen. Mit Raclette. Im Urlaub kann man früh aufstehen und Handtücher auf eine Vielzahl von Sonnenstühlen in unterschiedlichen Positionen und Himmelsrichtungen legen, um zu guter Letzt aber wegen der Hitze lieber auf dem klimatisierten Zimmer zu bleiben. Man kann sich nach dem Abitur um unterschiedliche Studienplätze bewerben in unterschiedlichen Fächern und an unterschiedlichen Orten – um dann doch den elterlichen Hof zu übernehmen. Probieren Sie es aus! Ihre Angst, das Falsche zu tun, wird umso größer, je mehr Möglichkeiten Sie nicht wahrgenommen haben. Beschäftigen Sie sich mit Politik, lesen Sie die Zeitung und sehen Sie regelmäßig die Tagesschau. Seufzen Sie tief und sagen Sie: »Man müsste mal …« oder »Das kann so nicht weitergehen!«. Und tun Sie: nichts. Irgendwann fürchten Sie sich dann sogar davor, überhaupt vor die Tür zu treten. Weil da draußen zu viele Leute sind, denen Sie nicht geholfen haben.
ANGST VOR HUNDEN
(Lupophobie)
Die Furcht vor Hunden ist eine schöne Illustration der Irrationalität von Ängsten. Schließlich sind 95 % dieser Vierbeiner zahm, friedlich, geradezu devot. Dennoch fürchten sich viele vor ihnen.
Grund dafür mag zunächst eine hygienische Angst sein, eine Art Ekel angesichts dieses Gesabbers, Geschlabbers und hündischen Gegeifers. Also dieselbe Abscheu, die wir empfinden, wenn wir einem Mitglied der Jungen Union begegnen. Von diesen Schleimern will sich ja auch keiner die Zunge durchs Gesicht ziehen lassen.
Beim Kontakt mit einem Hund können sich unbestritten vielerlei Krankheiten übertragen. Gerade der Allergiker ängstigt sich vor dem Ausfluss des Tieres und damit auch vor dessen Fell, denn Hunde sind bekanntlich Selbstlecker. Aus demselben Grund meidet er auch Bauernhöfe, Wohnungen mit Teppichboden und die chinesische Küche.
Zum anderen handelt es sich sicherlich um genetisch gespeicherte Ängste vor dem Hund als wolfsähnlichem Tier. Man fürchtet stets, nicht auf einen zahmen, erzogenen Hund zu treffen, sondern auf einen wilden oder für die Jagd abgerichteten. Oder auf einen Kampfhund. Oder aber auf einen tollwütigen. Oder gleich auf mehrere. Dazu muss man aber schon nach Ostdeutschland fahren. In Brandenburg sind ja erstmals wieder echte Wölfe aufgetaucht. Mit roten Augen und Geheul, das volle Programm. Freie Wildbahn ist daher für dieses Bundesland eine mehr als treffende Beschreibung.
Der Hund hat natürlich, zumindest ab einer gewissen Größe, durchaus Drohpotential. Und seinen Charakter sieht man nicht. Ebenso wenig wie eine Leine, selbst dort, wo sie vorgeschrieben wäre. Insofern muss jeder Spaziergänger spekulieren, wie es die Dogge wohl meint, die ihm gerade ihre 80 Kilo ins Gesicht wuchtet. Krieg oder Frieden? Gern genommen wird in dem Moment der Ruf des Herrchens: »Der will nur spielen!«.
Und Bisswunden sind zweifellos unangenehm, gerade im Nacken oder an der Kehle.
Weitere Kostenlose Bücher