Die 33 tollsten Ängste ...: ... und wie man sie bekommt (German Edition)
heißt, nichts mitnehmen können. Oder aber die Passagiere reizt die Vorstellung, ihren vierzehntägigen Campingurlaub ohne Wäschewechsel zu verbringen: Wandern, draußen schlafen, Schnaps trinken – alles in denselben Klamotten. Manche Menschen in dieser Halle verströmen jedenfalls ein Aroma, als hätten sie eine solche Reise gerade hinter sich.
Vielleicht sind diese Fluggäste aber auch einfach auch nur Profis. Und wissen beispielsweise, dass man zwar bei der Buchung eine Gebühr für den Transport des Koffers bezahlt hat, es aber dennoch eine Höchstgrenze für dessen Gewicht gibt. Im Gegensatz zum Beispiel zu mir bei meiner ersten derartigen Reise, der ich beim Ausflug nach Schottland mit meinem damals sechsjährigen Sohn in die Falle tappte und plötzlich am Gepäckschalter mit einer jungen Mitarbeiterin konfrontiert wurde, die behauptete, dass unser Koffer zu schwer sei. Worauf sich folgender Dialog entspann:
Ich: »Was heißt ›zu schwer‹? Sie müssen den ja nicht tragen, das ist doch ein Rollkoffer!« – Sie: »Nicht zu schwer für mich. Fürs Flugzeug!« Ich: »Was? Heben wir dann nicht ab oder was?« – Sie: »Schon, aber für Gepäck gibt es eine Höchstgrenze?« – Ich: »Oh. Und wo liegt die?« – Sie: »15 Kilo maximal.« – Frage ich: »Pro Person?« – »Nein«, sagt sie, »pro Gepäckstück!« – Ich: »Oh. Wieso das denn? Die anderen Passagiere haben doch alle keine Koffer dabei!« – Sie: »Trotzdem, tut mir leid. Und bevor Sie fragen: Jetzt noch ein Gepäckstück für die zweite Person anzumelden, ist leider nicht mehr möglich.« – Ich: »Wieviel ist unser Trolley denn zu schwer?« – Sie: »Tja, das sind satte 9 Kilo. Das kostet Übergebühr.« – Ich: »Oh.« – Sie: »15 Euro pro Kilo.« – Ich: »Oh. Da kostet der Transport von einem Kilo Gepäck ja mehr als der Flug für uns beide!« – Sie: »Tja … Vielleicht können Sie noch was hierlassen? Oder in das Handgepäck umpacken?« – Ich: »Ja! Klar! Oder wir bleiben hier und geben dem Trolley das Ticket! Oder noch besser: Der Koffer sitzt neben mir und mein Sohn kommt in den Gepäckraum – der wiegt weniger. Sie haben doch diese Kisten für Haustiere, die mit den Luftlöchern im Deckel …« – Sie: »Ja, aber die kosten 120 Euro.«
Das ist eine humanistisch Gebildeten bekannte Situation: Die Rede ist von Styx. Gemeint ist allerdings nicht der Fluss (sonst hätte ich selbstverständlich den dativus liquidus verwendet), sondern die Band aus Chikago und ihr größter Hit »Boat on the river«. Waldorfschüler fühlen sich lediglich erinnert an Chris de Burgh mit »Don’t pay the ferryman«. Die Idee ist dieselbe: Der Reisende auf dem Weg ins Jenseits soll vorab den Transfer zahlen. Davon, sein Gepäck auf den Müll zu werfen, ist allerdings nirgends die Rede. Vielleicht ist das aber der wahre Hintergrund? Vielleicht sind diese Flugunternehmen Teil eines sozialen Lastenausgleichs zugunsten der armen Bundesländer?! Vielleicht leben die Menschen im Hunsrück schon seit Langem von zurückgelassenen Gepäckstücken?
Vielleicht geht es allerdings auch um Läuterung: Kurz vor dem Fegefeuer probt man den Verzicht auf irdische Güter. Abschied muss man üben, heißt es. Ich jedenfalls habe das in dieser Lage getan. Denn man sollte jede Gelegenheit nutzen, um sich von Sachen zu trennen. Das gilt zumindest für unsere Kulturbeutel. Als Mann kann man am besten auf die Hygieneartikel verzichten. Danach wandern aber auch noch weitere Luxusgüter auf den Müll. Dann packe ich alles Mögliche aus dem Koffer in zwei Plastiktüten um, die ich an einem Kiosk aufgetrieben habe. Irgendwann sind sie zwar voll, aber der Koffer ist immer noch zu schwer. Ich stopfe meinem Sohn seine Unterhosen in die Hosentaschen und werfe mir noch drei Pullover über. Aus meiner Jacke ragen hinten gelbe Piratengummistiefel heraus. Mitleidige Blicke streifen uns. Eine Dame steckt meinem Jungen Vitaminkapseln zu und raunt: »Jeden Tag eine. Das hilft gegen Skorbut!«
Zu guter Letzt sind es immer noch 3 Kilo Übergewicht – und das nur beim Koffer! Die Strafe ist spürbar: 45 Euro Zusatzgebühren. Mittlerweile sind wir bei einem gefühlten Gesamtpreis von 889 Euro. Da hätten wir auch mit der Lufthansa fliegen können, erster Klasse, über Dubai. Zudem sind wir völlig überkleidet und riechen binnen Sekunden wie die kofferlosen Passagiere. Schwitzend und schweigend hasten wir zum Flugzeug.
Die sicherlich bei diesen Billiglinien ohnehin völlig
Weitere Kostenlose Bücher