Die 39 Zeichen 08 - Die Entführung am Himalaya
sein, dass wir die Nachricht erhalten. Dann hätte er ewig auf uns warten können. Wir müssen ihn beim Wort nehmen und fest daran glauben, dass er nach uns sucht.« Sie schüttelte hilflos den Kopf. »Weiß Gott, wie er das anstellen will.«
»Indem er den Zeichen folgt«, sagte Amy zuversichtlich. Sie bekam ihre Gefühle schneller unter Kontrolle und konnte sich auch besser konzentrieren, wenn sie sich zu logischem Denken zwang.
»Stimmt schon, aber du willst doch zum Mount Everest !«
Amy nickte finster. »Die Form des Berges in dem Feng-Shui-Raum – das ist zweifellos der Everest . Er ist auf einer Seite steiler als auf der anderen. Weißt du noch, die Liste der Ereignisse Anfang der zwanziger Jahre? George Mallory starb 1924 hoch oben auf dem Nordsattel des Everest . Eine Menge Leute glauben, dass er es in Wahrheit auf den Gipfel geschafft hat und erst auf dem Rückweg ums Leben kam, nicht auf dem Weg nach oben.«
»Ich habe über ihn gelesen«, erklärte Nellie. »Das war der Typ, der gesagt hat, er klettere auf die Bergspitze des Everest , ›weil sie da ist‹.«
Amy nickte zustimmend. »Ich glaube, er wollte noch aus einem anderen Grund da hoch. Was, wenn er ein Cahill war, genau wie Pu Yi? Im Jahr 1924 gelang Pu Yi bei der Jagd nach den Zeichen ein Durchbruch. Doch er wusste, dass seine Tage in der Verbotenen Stadt gezählt waren. Also sorgte er dafür, dass ein anderer Cahill das Zeichen für ihn dort versteckte, ›wo die Erde dem Himmel begegnet‹. In anderen Worten: auf dem Gipfel des höchsten Berges der Welt. Wäre das unmöglich? «
»Das wäre absolut unmöglich!«, tobte Nellie. »Das ist das unglaubhafteste, verrückteste Märchen, das ich je gehört habe!« Ein nachdenklicher Ausdruck machte sich auf ihrem Gesicht breit. »Eigentlich ist es gerade verrückt genug, dass es perfekt zu eurer Familie passt. Ein normales Versteck reicht euch Irren ja nicht – es muss schon der Mount Everest sein!«
»Es könnten auch noch andere Faktoren dafür gesprochen haben«, meinte Amy. »Am Everest ist es kalt. Die Luft ist dünn, der Luftdruck niedrig. Vielleicht hat Pu Yi ein sicheres Dauerversteck gebraucht.«
»Tja, etwas hast du aber nicht bedacht«, wandte Nellie ein. »Zum Mount Everest zu kommen, ist das eine. Mit dem Gipfel sieht es wieder völlig anders aus. Du kannst nicht einfach da hinaufspazieren und den Gipfel beschreiten. Wenn der Berg dich nicht aufhält, dann wirst du an der Höhe scheitern. Bergsteiger verbringen Wochen damit, sich zu akklimatisieren. Wenn du dich zu früh da hinaufwagst, bringt es dich um!«
Amy lächelte unsicher. »Ich glaube, ich habe da eine Idee.«
Auf der Suche nach den Zeichen war Dan Cahill beinahe ersäuft, in die Luft gesprengt, lebendig begraben und vergiftet worden. Doch was er nun erlebte, schlug alles um Längen: tödliche Langeweile.
Eine 1500 Kilometer lange Reise im langsamsten Zug Asiens, der ratternd über den Kontinent kroch.
Am Bahnhof von Xian hatte alles noch recht vielversprechend angefangen. Während die Passagiere in die vorderen Wagen einstiegen, war es Dan gelungen, sich in einen Güterwaggon zu schleichen und hinter riesigen Reissäcken zu verstecken. Dort saß er nun zusammengekauert und wagte es kaum, zu atmen, während die Besatzung weitere Güter verstaute.
Lass dich nicht erwischen.
Wenn sie ihn fanden, würden sie ihn aus dem Zug werfen, und dann müsste er auf den nächsten warten, der aber erst am Tag darauf fahren würde. Dan durfte aber keine Zeit verschwenden. Die Reise dauerte so schon lange genug.
Bald jedoch fuhr der Zug los und die bittere Wahrheit kam ans Tageslicht. 30 Stunden eingesperrt in diesen Waggon, als Gesellschaft nur Reis, ein schlafender Hund in einer Box und – was war das da drüben? Ein Mann im Sarg! Sein einziger Reisegefährte war ein Toter.
Im Verlauf der Zeit verlor der Sarg seinen Schrecken und Dan wurde neugierig. Nach vier Stunden kam er zu dem Schluss, dass er es dem armen Verstorbenen schuldete, ihm die letzte Ehre zu erweisen, indem er einen Blick in seine Behausung warf.
Der Sarg war leer. Zunächst war Dan erleichtert, dann enttäuscht, dann wieder gelangweilt. Er sah auf die Uhr. Noch 25 ½ Stunden.
Das Schlimmste daran aber war – noch viel schlimmer als die tödliche Langeweile –, dass, während Dan in diesem Schildkrötenexpress den Verstand verlor, die Holts auf der Suche nach dem Zeichen den Mount Everest bestiegen.
Im Verlauf der Fahrt stieg der Zug nach und nach zum
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