Die 39 Zeichen 09 - Ruf der Karibik
und er waren sich aber einig, dass sie sich damit an ihren Teil der Abmachung gehalten hatten.
Jetzt saßen sie im Auto und untersuchten den Goldstreifen mit dem Vergrößerungsspiegel, den Nellie aus ihrem Gepäck gekramt hatte.
»Die ersten Buchstaben lauten e-k-t-o«, las Dan laut vor.
»Ekto«, wiederholte Nellie. »Das ist Griechisch und heißt so viel wie ›außen‹ oder ›außerhalb‹. Und dann m-a-l, oder? ›Mal‹ heißt im Französischen ›schlecht‹, von lateinisch ›malus‹.« Sie runzelte die Stirn. »Und dann ›u-j-a‹ und schließlich das ganze Wort noch mal. Ich hab nur absolut keine Ahnung, was ›uja‹ bedeuten könnte.«
»J-A für Jamaika?«, schlug Dan vor. »Und u steht vielleicht für unsicher. Außen, schlecht, unsicher, Jamaika?«
»Die Warnung kommt dann aber ein wenig spät«, witzelte Amy. »Also falls das bedeuten soll, dass es schlecht und unsicher ist, sich in Jamaika draußen aufzuhalten.«
Irgendetwas an der Buchstabenkombination kam ihr dennoch bekannt vor … aber was nur?
»›Ekto‹ und ›mal‹ klingen tatsächlich wie eine Art Warnung«, stimmte Nellie ihr zu. »Das Ganze würde vielleicht mehr Sinn ergeben, wenn wir wüssten, was ›uja‹ zu bedeuten hat.«
Amy überkam eine schmerzhafte Erinnerung. Wir drei sitzen zusammen und tüfteln am nächsten Hinweis herum, genauso wie früher. Doch jetzt ist alles anders und wir dürfen ihr nicht mehr trauen …
QUIEEETSCH !
Amy riss den Kopf hoch. Ein großer Geländewagen bog viel zu schnell in den Parkplatz ein.
Dan schrie: » FAHR LOS, NELLIE! Wir müssen hier weg!«
Das Au-Pair-Mädchen reagierte sofort. Sie ließ den Motor aufheulen und fuhr so schnell los, dass die Reifen quietschten. Ohne auf andere Fahrzeuge zu achten, schoss sie aus der Ausfahrt und brachte damit den gesamten Verkehr zum Erliegen. Der Fahrer des Geländewagens musste warten, bis sich das Chaos wieder aufgelöst hatte, bevor er ihnen folgen konnte.
»Wer war das?«, fragte Amy mit zittriger Stimme.
»Kabras«, verkündete Dan grimmig.
Die Kabras waren ihnen also nach Jamaika gefolgt.
Durch äußerst kreative Fahrweise, die vielleicht nicht immer ganz der Straßenverkehrsordnung folgte, gelang es Nellie, den Geländewagen in der Innenstadt von Kingston abzuhängen. Jetzt standen sie versteckt in einer Seitenstraße, hinter einem Sportgeschäft.
»Langsam hab ich aber wirklich genug von denen! Mir steht es bis hier!«, schimpfte Dan. »Immer sind sie hinter uns her! Warum können wir nicht mal hinter denen her sein?«
Amy war ganz blass. »Wir … wir müssen uns von ihnen fernhalten«, flüsterte sie. »Besonders von Isabel.«
»Du sagst es«, beteuerte Nellie und begann an den Fingern abzuzählen: »Erst Amy und die Haie, dann die Schlangen im Bergwerk, das Feuer in Indonesien, wir drei im Hangar. Was meint ihr? Was hat sie als Zugabe drauf?«
Amy zögerte. Dann sagte sie leise: »Eins hast du vergessen.«
Nellie sah, wie die Wut in Dans Gesicht einem tiefen Kummer wich.
Amy hatte die Augen geschlossen und dachte an ihre Eltern. Vor Jahren, als Amy gerade sieben und Dan nur vier Jahre alt gewesen war, hatte Isabel Kabra mutwillig und kaltblütig das Feuer gelegt, in dem Hope Cahill und Arthur Trent ums Leben gekommen waren.
Natürlich wusste Nellie das schon sehr lange. Aber in bestimmten Momenten wurde es ihr erst wieder so richtig bewusst. Sie versuchte sich vorzustellen, wie sie sich wohl fühlen würde, wenn die Mörderin ihrer Eltern frei herumlaufen würde und es auch auf sie selbst abgesehen hätte.
»Diese alte Hexe«, zischte sie bitterböse. »Ich meine, jemand, der einem Kind androht, es in einen Ozean voller Haie zu werfen …«
Plötzlich öffnete Amy die Augen und Nellie konnte ihre Aufregung förmlich spüren.
»Sie hat es «, verkündete Amy. »Sie hat das Janus-Zeichen.«
Während Amy die Augen geschlossen hatte, hatte sie sich so gut es ging bemüht, den Tod ihrer Eltern aus ihrem Gedächtnis zu verbannen. Selbst die Erinnerung daran, wie sie in Australien mit Isabel auf dem Boot gestanden hatte, war besser als der Gedanke daran!
Es war ein Geräusch, kein Bild, das ihr dabei zuerst in den Sinn kam. Ein leises Rasseln oder Klimpern von Metall.
Isabels Armband. Es hatte an ihrem Handgelenk gebaumelt, als sie aufs Wasser gedeutet hatte. Ein goldenes Armband.
Amy hatte es damals natürlich nicht bewusst wahrgenommen, sie hatte in diesem Moment zu große Angst gehabt. Jetzt aber setzten sich die
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