Die 39 Zeichen - Die Rache der Romanows - Band 5
die verworrenen Buchstabenfolgen an. Er starrte während des ganzen Starts unentwegt auf das Blatt und futterte dabei seine zweite Tüte Nachos. Erst als der Getränkewagen durch den Mittelgang geschoben wurde und er eine Cola hinuntergekippt hatte, schien es endlich Klick zu machen.
»Wohin fliegen wir noch mal? Volvodings?«
»Wolgograd«, erklärte Amy.
»Genau. Zeig mal den Umschlag, den dir dieser Hotelboy heute Morgen gegeben hat. Ich hab da eine Idee.«
Amy benutzte den Umschlag als Lesezeichen. Sie zog ihn aus ihrem Buch und reichte ihn ihrem Bruder – gespannt, was er damit vorhatte.
»Das müsste gehen«, meinte Dan, riss eine Seite aus einem Bordmagazin, nahm einen Stift und schrieb eine der Buchstabenkombinationen auf.
RGO L GOWAD
»Es lag an den fehlenden Buchstaben. Das hat mich verwirrt. Aber sie stehen auf dem Umschlag. Siehst du? Das hier heißt WOLGOGRAD.«
Dan hatte das unterstrichene L vom Umschlag eingesetzt und alle Buchstaben umgestellt. Amy schlug die Städteliste im Reiseführer auf und ein paar Minuten später betrachteten die beiden eine Liste russischer Orte:
»Bei Sankt Petersburg bleiben ein X und eine Zwei übrig«, meinte Amy. »Das heißt bestimmt ›mal zwei‹. In Sankt Petersburg müssen wir also gleich zwei Hinweise entdecken.«
Dan nickte. »Jetzt müssen wir nur noch herausbekommen, was wir in all diesen Städten erledigen sollen.«
»Wolgograd ist unser Zielflughafen, also muss unsere Suche dort beginnen. Die Stadt wird auch in dem Briefbeschwerer genannt«, erklärte Amy.
»Wie kommst du darauf?«, fragte Dan.
Seine Schwester hielt die schwere Glaskugel hoch, damit Dan sie besser sehen konnte.
»Die Buchstaben an der Wand – ZSW – stehen für Zarizyn, Stalingrad und Wolgograd. Im Reiseführer steht, dass sie die Stadt zweimal umbenannt haben.«
»Können sich diese Russen denn nicht entscheiden?«, meinte Dan.
Amy ignorierte seine Frage und beugte sich näher zu ihrem Bruder. »Ich glaube, ich weiß, wonach wir suchen müssen.«
»Du hast mir also etwas vorenthalten!«, beschwerte sich Dan und wischte sich die salzigen Finger an seinem Ziegenbart ab.
Amy klopfte auf das Buch aus dem Schließfach. »Diese Dinger hier stecken voller Antworten. Du musst nur mal eins von ihnen aufschlagen, Kleiner.«
Als Dan zum ersten Mal russischen Boden betrat, verschluckte er sich an einem seiner Mais-Chips und spuckte ihn auf den Gehweg vor dem Flughafen.
»Pfui Teufel! So kriegst du nie eine Freundin ab, wetten? «, schimpfte Amy.
»Als wenn ich eine wollte!«
Dan dachte kurz über einen Überraschungsangriff auf seine große Schwester nach, aber im selben Moment explodierten ihm die Sinne. Auf allen Straßenschildern waren seltsame, geschwungene Zeichen zu sehen, die unmöglich zu entziffern waren. Die Luft hing voller noch unbekannter Geschmäcker, rotgelbe Busse holperten vorbei, und überall vernahm Dan die Klänge einer neuen, exotischen Sprache.
Die beiden standen vor dem Flughafenterminal und blickten auf eine Unmenge verdreckter Taxen. Sie waren sich nicht sicher, ob sie überhaupt einem Fahrer trauen konnten. Erst recht nicht nach dem GPS-Schlamassel in Kairo.
»Wie wär’s mit dem da?«, fragte Dan und biss zugleich
von seinem Schokoriegel ab. Das war bereits sein dritter in drei Stunden und seine Stimme klang etwas nervös.
»Schau ihm bloß nicht in die Augen«, warnte Amy. »Sonst werden wir ihn nie wieder los.«
Aber es war schon zu spät. Der Fahrer drängte sich über vier Reihen zu ihnen hindurch. Dan gefiel der bärtige Russe mit dem VW-Bus. Es würde wunderbar zu seinem Gammler-Style passen, wenn er jetzt auch noch in einem 60er-Jahre Hippiemobil fuhr.
»Cool, Mann. Der Kerl und ich haben dieselben Vibes.«
»Raubt dir dieser Bart den Verstand?«
Der VW-Bus schoss schlingernd über die Straße und kam holpernd vor Dan und Amy zum Stehen.
»Wir würden gern ein Auto mieten«, erklärte Dan. »Können Sie uns weiterhelfen?«
Wie bitte? Amy schnappte nach Luft. Ein Auto mieten? Und wer soll es fahren?
»Sie wollen eigenes Auto? Ich kenne Mann. Beste Preis in Wolgograd.«
Dan hatte noch nie ein Auto gelenkt, aber dafür kannte er sich mit Geländemotorrädern aus. Er hielt kurz seine goldene Visakarte hoch und schob sie zurück in die Hosentasche.
»Können Sie uns auch ein Motorrad besorgen? Wir haben es gerne luftig.«
Der bärtige Russe zwinkerte und knapp eine Stunde später fuhr Dan mit Amy im Beiwagen aus einer Seitenstraße.
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