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Die 50 Groessten Luegen Und Legenden Der Weltgeschichte

Titel: Die 50 Groessten Luegen Und Legenden Der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Könige begraben. Ebenso bedeutete eine enge Beziehung zu einem wichtigen Heiligen für Fürsten einen politischen Vorteil. Besonders glücklich schätzten sich Königshäuser wie beispielsweise das ungarische oder das französische, deren Stammbaum verdiente Heilige verzeichnet.
    Ein solcher bedeutender Heiliger war Antonius, ein Einsiedlermönch, der hochbetagt Mitte des 4. Jahrhunderts starb. Und bis heute reklamiert die südfranzösische Stadt Arles, in ihrer Kirche Saint-Antoine (ursprünglich Saint-Julien) lägen die sterblichen Überreste des Heiligen.
    Seit dem 11. Jahrhundert galt als gesichert, dass die Reliquien des hl. Antonius in der unweit von Grenoble gelegenen Klosterkirche Saint-Antoine ruhten, die zur Benediktinerabtei Saint-Pierre in Montmajour, etwa zehn Kilometer nördlich von Arles, gehörte. Insgesamt dreimal wurde zwischen 1131 und 1307 der Schrein geöffnet, um sich der Existenz der Heiligengebeine zu versichern. Spätestens als am Ende des 11. Jahrhunderts angesichts einer Epidemie von Mutterkornbrand, deren Ursache man sich nicht erklären konnte, Menschenmassen zum Antoniusgrab pilgerten, wurden die Reliquien zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor. Der hl. Antonius war nämlich der zuständige Heilige für Mutterkornbrand, auch Antoniusfeuer genannt. Folglich hatte die Antoniusverehrung Konjunktur, und eine Laienbruderschaft gründete sich, die rasch wuchs und zu erheblichem Wohlstand gelangte. Zwischen diesen Antoniusbrüdern und den Benediktinern von Montmajour aber kam es zu Auseinandersetzungen, die 1247 in der Erhebung der Bruderschaft zum Mönchsorden durch Papst Innozenz IV. und 1292 in der Vertreibung der Benediktiner gipfelten. Ausgleichszahlungen wurden vereinbart, die Trennung vollzogen. Wem aber gehörten die einträglichen Antoniusreliquien? Die Frage schwelte, während um finanzielleRegelungen und Kompensationen über zweieinhalb Jahrhunderte gestritten wurde. An deren Ende wurde von Rom die Defacto-Auflösung der Benediktinerabtei verfügt; sie wurde mit Mann und Maus dem Antoniterorden unterstellt.
    Wut und Rachsucht ließen die Ex-Benediktiner, die sich mit der Zwangsvereinigung nicht abfinden wollten, zu drastischen Mitteln greifen. Sie verbreiteten das Gerücht, in Besitz der Gebeine des hl. Antonius zu sein. Diese angeblichen Reliquien wurden nach Arles verlegt, um sie vor den königlichen Truppen, die die Sache der Antoniter vertraten, in Sicherheit zu bringen. Die ehemaligen Benediktiner wollten aber nicht nur Rache üben, sondern sich auch das einträgliche Geschäft mit Reliquien und Pilgerreisen sichern.
    Der Betrug war eigentlich gar nicht sonderlich erfolgreich. Die Kirche ging dagegen vor; die Belege für ihren Reliquienbesitz blieben die Benediktiner schuldig – ja sie gaben im Verlauf des Verfahrens sogar zu, den echten Antonius gar nicht zu besitzen. Ihre Kirche besaß ja auch nicht einmal einen Altar, der dem Heiligen geweiht gewesen wäre – geschweige denn eine Krypta oder Kapelle. Die Kurie in Rom verpflichtete die Ex-Benediktiner von Montmajour, alle Aktivitäten zu unterlassen, die mit dem Betrug zusammenhingen: keine Verehrung der falschen Reliquien, keine organisierten Pilgerfahrten – wer sich nicht daran hielt, dem drohte die gefürchtete Exkommunikation. Das Eingreifen Roms beeindruckte die Benediktiner aber offenbar nicht allzu sehr, denn sie verschafften sich unter Androhung von Gewalt weitere Expertisen, die die Echtheit ihrer Reliquien erneut bestätigten. Die Antoniter dagegen ließen publikumswirksam ihr Antoniusgrab öffnen, das tatsächlich noch immer die Gebeine des Heiligen enthielt.
    Ende des 15. Jahrhunderts war der Streit zwischen beiden Kirchen auf seinem Höhepunkt – Antoniter wurden in Montmajourvon den verfeindeten Benediktinern verprügelt, Missliebige kurzerhand eingesperrt, regelrechte Unruhen wegen der Affäre erschütterten die Region um Arles.
    Der Papst musste erneut eingreifen. Er machte die Zwangsvereinigung der beiden Klöster rückgängig und schaffte einen finanziellen Ausgleich, der alle weltlichen Streitereien begrub. Nur in der Verehrung der Reliquien des hl. Antonius änderte sich nichts: Die Benediktiner von Arles blieben bei ihren Prozessionen, Wallfahrten und Heiligenfesten. Im 19. Jahrhundert noch erlaubte die Kirche der Stadt Arles, dem hl. Antonius zu huldigen, auch wenn dort zweifellos keine seiner Reliquien aufbewahrt werden.
    Dabei sind sich die Historiker nicht einmal einig, ob überhaupt jemals eine

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