Die 50 Groessten Luegen Und Legenden Der Weltgeschichte
Protestanten nachhaltig unterbinden. Außerdem konnte er so den wachsenden englischen Ambitionen in Übersee den Garaus machen. Unter Elisabeth I. entwickelte sich in England der Wunsch nach Kolonien und danach, Spanien als bisher vorherrschende Seemacht zu übertrumpfen. Das hatte ebenso mit dem Renommee zu tun, das sich aus dem Ruf einer starken Seemacht ableitete, wie mit wirtschaftlichen Erwägungen, denn der sich entwickelnde Welthandel versprach reiche Gewinne. Im Herbst 1585 wurden die spanischen Pläne konkret, und nach einigen Verzögerungen – unter anderem durch einen englischen Überraschungsschlag gegen spanische Kriegsschiffe im Hafen von Cádiz – sollte das ehrgeizige Unternehmen 1588 beginnen. Da war England seit immerhin über fünf Jahrhunderten nicht mehr von außen erobert worden.
Eine beispiellos hochgerüstete Armada von 130 Schiffen mitweiterer Unterstützung durch Galeeren und Handelsschiffe stieß im Mai in See – die größte Flotte, die je in nordeuropäischen Gewässern gesichtet worden war. 20
000 Soldaten und über 2400 Kanonen sollten unter überaus erfahrenen Befehlshabern den Erfolg der Invasion gewährleisten. Ein Teil dieser Soldaten kam von der flandrischen Armee und sollte im Ärmelkanal zur Flotte stoßen. Schwerpunkt der Planungen war die Invasion zu Lande, eskortiert von der Armada, die auf der Themse nach London segeln sollte. Schwierige Wetterverhältnisse verzögerten die Fahrt, sodass die spanische Armada erst Ende Juli vor der englischen Küste eintraf. Die Engländer waren aber vorbereitet, und die Invasion misslang. Die spanische Armada musste schwer geschwächt abdrehen und nach Spanien zurückkehren. Philipps ehrgeiziger Plan war gescheitert.
In den Jahrhunderten danach wurde die »Abwehr« der Spanier in England zu einem Mythos verklärt. Verherrlicht wurde die Kaltblütigkeit des Befehlshabers Sir Francis Drake, der in aller Ruhe eine Kegelpartie zu Ende spielte, bevor er dem Feind gegenübertrat. Königin Elisabeth kam eigens an die Küste, um ihren Männern beizustehen und in einer flammenden Rede ihren Kampfesmut anzustacheln. Die Konfrontation wurde zum Freiheitskampf gegen das despotische Spanien stilisiert, ja zum Sieg des rechtschaffenen Protestantismus über den überheblichen und verderbten Katholizismus. Jahrestage wurden gebührend begangen und gelegentlich Forderungen geäußert, der 8. August solle Nationalfeiertag werden. Ungezählte Dichter Englands haben den Ruhm ihres Landes auf bewegter See glorifiziert. Und weit über England hinaus setzte sich die Ansicht durch, England habe über Spanien triumphiert und damit den Niedergang der einstigen Weltmacht zugunsten des eigenen Aufstiegs eingeläutet.
Aber diese einfachen und populären Wahrheiten entsprechen ganz und gar nicht den Tatsachen. Zunächst einmal hat Englanddie Schlacht nicht siegreich entschieden. Schlachtentscheidend war vielmehr das Wetter, das sich selbst für die unbeständigen Bedingungen im englischen Kanal ungewöhnlich extrem gebärdete. Die Engländer machten es den spanischen Schiffen zwar nicht leicht, aber sie versenkten nur wenige von ihnen. Dass ihre Schiffe wendiger waren, hätten die erstklassigen Befehlshaber der Spanier bei günstigeren Wetterbedingungen mühelos ausgleichen können. Als die bestens gerüstete spanische Armada aber vom Wetter zum Abdrehen gezwungen wurde, ließen heftige Stürme viele ihrer Schiffe an den Klippen von Irland und Schottland zerschellen. Das Vorhaben musste aufgegeben werden, und der Rest der Flotte kehrte unverrichteter Dinge nach Spanien zurück. Diese Tatsache verleitete die englische Propaganda dazu, die göttliche Vorsehung zu bemühen. Königin Elizabeth gab Münzen in Auftrag, die den Spruch trugen: »Gott blies, und sie wurden zerstreut«.
Dass England sich trotz aller Propaganda nicht in Sicherheit wiegte, zeigt die Befürchtung, die Spanier würden alsbald zurückkehren. Man erwartete dies unmittelbar nach der Schlacht, bis klar war, dass die Armada nach Spanien zurückgesegelt war; und dann ging man von weiteren Versuchen Philipps aus. Auch wenn die Invasion misslungen war, hatten die Spanier doch eindeutig bewiesen, dass England verwundbar war. Der Plan, Soldaten überzusetzen und England mit Bodentruppen zu besetzen, war gut durchdacht, denn die englischen Streitkräfte hätten dem Vormarsch der Spanier zu Lande nicht viel entgegensetzen können. Die Zeitgenossen sahen Spanien auch gar nicht geschwächt aus dem
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