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Die 50 Groessten Luegen Und Legenden Der Weltgeschichte

Titel: Die 50 Groessten Luegen Und Legenden Der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Auftrag gegeben hat. Auch für seine zügellosen Ausschweifungen gibt es keine Beweise – vielmehr war Papst Alexander VI. sowohl einer der konservativsten als auch frömmsten Päpste seiner Epoche. Und er war ein machtvoller Papst, der den Kirchenstaat stärkte und in der europäischen Politik erfolgreich mitmischte. Weil aber die großen Familien Italiens von einem mächtigen Papst aus Spanien abhängig waren, hatten sie Grund, den Ausländer auf dem Stuhl des heiligen Petrus wenigstens propagandistisch zu bekämpfen.
    Aber Alexander VI. verschaffte sich Macht und Ansehen, sodass Forderungen nach Aberkennung seines Amtes selbst beim mächtigen und frommen König von Frankreich, der fast immer für ein Ränkespiel mit der Kurie zu haben war, keine Unterstützung fanden. Die Propaganda gegen die Borgia führte einstweilen der Dominikaner Savonarola weiter, der vom plötzlich fromm gewordenen Florenz aus den verderbten Papst attackierte. Dann erhielt die Gerüchteküche durch Nachrichten neue Nahrung, deren Hintergründe Außenstehenden unklar blieben: Lucrezias erster Mann Giovanni Sforza floh über Nacht aus Rom, und Papstsohn Juan Borgia verschwand unerklärlicherweise. Als Juan tot aus dem Tiber gezogen wurde, verdächtigte man seinen Bruder Cesare des Mordes, weil er nun den Kardinalshutablegen und ein weltliches Leben beginnen konnte, um so den Fortbestand der Familie zu sichern. Auch weitere spektakuläre Todesfälle wurden den Papstkindern ohne Beweise vorschnell in die Schuhe geschoben. Dabei lässt sich Cesare nur ein Mord zweifelsfrei nachweisen, den er aber nicht eigenhändig beging, sondern in Auftrag gab: Er ließ seinen Schwager Alfonso von Aragon erdrosseln.
    Lucrezia zog sich kurz vor dem Tod ihres Vaters nach Ferrara zurück und führte dort ein alles andere als lasterhaftes Leben. Aber mit ihrem Weggang aus Rom 1502 wurde die Verleumdungskampagne erst richtig entfesselt. Mit allen Details ausgeschmückt, wurde die Kunde einer monströsen Orgie verbreitet, die der Papst noch zusammen mit Lucrezia am Abend vor Allerheiligen veranstaltet haben soll: Für einen regelrechten Hexensabbat wurden fünfzig Dirnen in den Palast geladen, um Alexander und seine Tochter mit sexuellen Darbietungen aller Art zu unterhalten. Von allerlei sexuellen Perversionen war die Rede – bis hin zur Blutschande mit seiner Tochter Lucrezia, um die der Heilige Vater mit ihrem Bruder Cesare konkurriert habe. Die Kampagne gipfelte schließlich in der haltlosen Behauptung, die Mutter von Alexanders 1498 geborenem Sohn Giovanni sei in Wahrheit Lucrezia.
    Letzter Höhepunkt der Borgia-Legende ist der Tod Alexanders VI., dessen angeblich skandalöses Leben am Ende seines Pontifikats besonders aufmerksam beachtet wurde. Der Legende nach fand der sündige Papst keinen friedlichen Tod, sondern starb ausgerechnet an dem Gift, das er einem unliebsamen Kardinal verabreichen wollte, und stand eine ganze Woche lang Todesqualen aus. Tatsächlich erlag Alexander, der trotz seines Alters ausgesprochen rüstig war, unerwartet der Malaria. In Berichten von der Augustnacht des Jahres 1503 ist von viel Krach und unerträglichem Gestank die Rede, von grässlichen Begleiterscheinungen,als die Sendboten der Hölle die verdammte Seele des kirchlichen Oberhauptes seiner heiligen Umgebung entrissen.
    Der Ursprung der Verleumdungen über die Borgia geht auf den Aufstieg dieser spanischen Familie in Rom zurück, der bei rivalisierenden italienischen Familien Unmut erregte. Schon Kalixt III., erster spanischer Papst seit mehr als einem Jahrtausend, machte sich unbeliebt, als er mit seiner Personalpolitik an der römischen Kurie die einheimischen Familien brüskierte. Günstlingswirtschaft war bei Päpsten nichts Außergewöhnliches, aber Kalixt bevorzugte Landsleute und Verwandte – in den Augen der Römer die Falschen.
    Die eigentliche Borgia-Legende lässt sich sowohl auf frühere Dämonenerzählungen zurückführen, die über das Papsttum der ersten Jahrhunderte im Umlauf waren, als auch auf Aberglauben und Propagandaschriften im Zeitalter von Hexenverfolgung und Inquisition. Ins Zentrum dieser Berichte geriet Lucrezia, weil solche Monstrositäten nach christlicher Vorstellung von einer Frau ausgehen mussten. Die Ausgestaltung der Legende übernahm kurz nach dem Tod Alexanders der päpstliche Zeremonienmeister Johannes Burkhard. Im tagespolitischen Geschehen, das den stolzen Städten Mailand und Neapel die Unabhängigkeit raubte, diente die böse

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