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Die 50 Groessten Luegen Und Legenden Der Weltgeschichte

Titel: Die 50 Groessten Luegen Und Legenden Der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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ein Teil aus wirtschaftlichen und kulturellen Gründen unzufrieden war und sich daher entschloss, nach Amerika zu gehen.
    Die Vereinbarung, die die Pilgerväter während der Überfahrt ausarbeiteten, wurde später als Ursprung der amerikanischen Demokratie verklärt. Auch das ist eine unberechtigte Mystifizierung, denn die Erklärung diente eher gegenteilig dem Zweck,die Geschicke der zu gründenden Kolonie in die Verantwortung derer zu legen, die klare religiös-politische Vorstellungen hatten, auf welchen Grundlagen die neue Kolonie funktionieren sollte. Daran mussten sich fortan auch diejenigen Einwanderer halten, die gar nicht mit bestimmten religiösen Vorstellungen aufgebrochen waren. Das entspricht nicht gerade demokratischen Gepflogenheiten; und mit unliebsamen Siedlern, die dem Alkohol und anderen weltlichen Freuden allzu ungeniert zusprachen, verfuhren die Pilgerväter später nicht gerade zimperlich.
    Als eigentlicher Keim Neuenglands kann die Mayflower-Siedlung Plymouth ebenfalls nicht gelten, denn sie ging schon Ende des 17. Jahrhunderts in der menschenreicheren Kolonie Massachusetts auf. Insgesamt ist die historische Bedeutung der Pilgerväter der Mayflower in Wahrheit also sehr viel kleiner als im historischen Gedächtnis der Vereinigten Staaten.
    Ähnlich gemischt in ihrer Motivation waren die Passagiere der anderen Auswandererschiffe, die in den 1630er Jahren nach Neuengland kamen. Die Religion war nur ein Grund unter vielen. Stärker noch wogen für die meisten Anwerbung, wirtschaftliche oder persönliche Gründe, und auch Abenteuerlust oder Aufstiegshoffnungen waren dabei. Das geht aus Briefen und Lebenserinnerungen der Auswanderer klar hervor. Historiker vermuten, dass religiöse Aspekte, die im 17. Jahrhundert eine wichtige Rolle spielten, durchaus ein Anstoß zur Auswanderung gewesen sein können, dass aber Glaubensüberzeugungen nicht der ausschließliche Grund waren, die damals so gefürchtete Überfahrt in die Neue Welt anzutreten.
    Tatsächlich waren die Puritaner unter den Einwanderern des 17. Jahrhunderts ohnehin eher in der Minderheit, auch wenn Geschichtsfolklore, Schulbücher und das historische Gedächtnis der USA etwas anderes vermitteln. Selbst bei der sogenannten »Great Migration« der 1630er Jahre stellten die Puritaner, andersals meist behauptet, nicht die größte Gruppe der Einwanderer. Auch hier bildeten einfache Arbeiter und Abhängige die Mehrheit der Neuankömmlinge, die nur in Ausnahmefällen aus religiösen Gründen auswanderten.
    Aber selbst die Puritaner waren nicht ausnahmslos Glaubensflüchtlinge, die sich aus religiöser Repression zur Emigration aus England gezwungen sahen. Sie wurden wie andere Auswanderer auch mit häufig überzogenen Versprechungen bewogen, ihr Glück in der Neuen Welt zu versuchen, zumeist aus den gleichen wirtschaftlichen Erwägungen wie andere Immigranten auch.
    Bemerkenswert an der Geschichte Neuenglands im 17. Jahrhundert ist, dass die englischen Siedler überwiegend strengere religiöse Regeln für das Gemeinwesen aufstellten, als sie sie aus England gewohnt waren. Staat und Kirche waren viel enger miteinander verbunden als im Mutterland. Die Trennung von Staat und Kirche war kein Grundanliegen der Einwanderer – ein weiterer Irrtum im historischen Gedächtnis. Diese Vorstellung setzte sich erst viel später durch und fand 1791 Eingang in die US-Verfassung, die aber einzelstaatliche Regelungen erlaubte.
    Auch die Glaubensfreiheit bezog sich im kolonialen Neuengland nicht auf jeden Einzelnen, sondern auf die Gemeinschaft: Die Führer der Kolonien stellten eigene Regeln auf und sahen sich nicht an das englische Beispiel gebunden. Diese Regeln galten dann aber für alle Angehörigen der jeweiligen Kolonie gleichermaßen. Blasphemie oder Ehebruch wurden beispielsweise in Massachusetts mit der Todesstrafe geahndet, dort wurden die ersten Quäker verfolgt und einige von ihnen sogar gehängt.
    Wie andere nationale Mythen gehen diese Gründungsmythen zwar auf historische Ereignisse und Entwicklungen zurück, haben aber durch die Vereinfachung an Wahrheitsgehalt verloren. Sie wurden schon wenige Jahrzehnte nach der Ankunft der Mayflower in Plymouth aufgebaut und seither gepflegt –als Selbstversicherung, als Stärkung in der schwierigen Aufbauphase, aber auch als Abgrenzung gegenüber anderen, nicht zuletzt den einheimischen Indianern und den afrikanischen Sklaven. Deren erzwungene Zuwanderung nach Nordamerika fehlte über Jahrhunderte völlig im

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