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Die 50 Groessten Luegen Und Legenden Der Weltgeschichte

Titel: Die 50 Groessten Luegen Und Legenden Der Weltgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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Wertschätzung des berühmten Gelehrten. Und sie zeigt, dass die Inquisitoren keineswegs einen ausgekochten Ketzer vor sich zu haben glaubten, der erbarmungslos verfolgt werden musste.
    Trotzdem verlief der Prozess nicht so, wie Galilei es sich erhofft haben mochte. Er fühlte sich zwar ganz auf der Seite des Rechts und der Kirche, weil er in seinen Augen die Lehre des Kopernikus nicht verteidigt, sondern nur dargestellt hatte. Das Gutachten der Inquisition sah das jedoch anders. Nicht nur ergreife Galilei Partei für Kopernikus, er glaube wohl auch an die Lehre von der Erdbewegung, so die Kritik. Galileo versuchte sich herauszureden, seine Eitelkeit des Wissenschaftlers habeihn übers Ziel hinausschießen lassen. Er hoffte wohl, man würde es ihm als lässlichen Fehler durchgehen lassen. Allerdings war aus den Untiefen des päpstlichen Archivs ein Dokument von 1616 aufgetaucht, das Galileos Situation verschärfte. Dem unterschriftslosen Papier zufolge hatte er nämlich gelobigt, die kopernikanischen Thesen nicht nur nicht zu verteidigen, sondern gar nicht erst zu diskutieren. Galilei besaß ein anderslautendes Dokument des damaligen Inquisitors, nach dem er die Thesen durchaus diskutieren durfte, solange er nicht dafür Partei ergriff – die Aktenlage war also widersprüchlich. Die Inquisitoren verfolgten daher diesen formellen Anklagepunkt nicht weiter, und es schien, als würde Galileo mit einer bloßen Bußstrafe davonkommen.
    Nun aber regte sich in der römischen Kurie angesichts des milden Umgangs mit Galileo Widerstand, dessen Ursprung nicht mehr bestimmt werden kann. Jedenfalls schloss sich der Papst dieser strengeren Haltung an, und die Inquisition verlangte von dem Beschuldigten einzugestehen, dass er unerlaubterweise Werbung für Kopernikus gemacht hatte, was Galileo auch bereitwillig tat. Unmissverständlich gab er zu Protokoll, er halte nach längerer Unsicherheit die gewohnte Lehre von der unbeweglichen Erde und der sich bewegenden Sonne für die richtige. Am 22. Juni 1633 erging im römischen Dominikanerkonvent Santa Maria sopra Minerva nicht weit vom Pantheon der Urteilsspruch, der bezeichnenderweise nicht von allen Inquisitoren unterzeichnet worden war. Galileo wurde als »der Häresie verdächtig« eingestuft. Er wurde unter lebenslangen Hausarrest gestellt, sein Dialog wurde verboten – als begehrte Bückware stieg sein Preis übrigens alsbald auf das Zwölffache. Über die Thesen des Kopernikus durfte er sich nicht mehr äußern, konnte aber weiter wissenschaftlich arbeiten.
    Aus den Prozessakten geht im Übrigen nicht hervor, dassGalileo gefoltert wurde – das hätte die obligatorische Voruntersuchung angesichts seines Alters und Gesundheitszustandes höchstwahrscheinlich ohnehin ausgeschlossen. Angedroht wurde diese Verhörmethode immer, weil es vorgeschrieben war – und durchaus wirkungsvoll. Ebenfalls unhistorisch ist der oft bemühte Satz, den Galileo im Aufstehen trotzig gemurmelt haben soll, nachdem er sein Urteil auf Knien entgegengenommen hatte: »Eppur si muove! – Und sie bewegt sich doch!« Nicht nur fehlt dafür jeder Beweis – eine solche Äußerung, auch noch so leise ausgesprochen, hätte Galilei den Kopf kosten können, weil sie seine öffentliche Abschwur null und nichtig gemacht hätte. Das aber entspricht ganz und gar nicht Galileos Strategie von Anfang an, sich so unbeschadet wie möglich aus der Affäre zu ziehen. Das Zitat ist vielmehr ein Detail im lieb gewonnenen Bild des Wissenschaftlers, der sich unter der Knute der Kirche nur zähneknirschend und innerlich unbeugsam fügt.
    Natürlich wirkt dieser Prozess wie jeder Inquisitionsprozess auf den modernen Menschen unerhört. Der historische Blick muss aber berücksichtigen, dass zu dieser Zeit die Autorität der Kirche kein bloßer Machtfaktor und eigentlich überholt, sondern anerkannt war. Der Einzelne achtete ganz überwiegend die Deutungshoheit der Kirche über das Wesen der Welt.
    Daneben lohnt sich über den direkten Konflikt mit Galileo hinaus der Blick auf den Kontext. Dazu gehört neben dem Wettstreit zwischen katholischer und protestantischer Kirche um die Auslegung der Bibel der innere Kampf zwischen progressiven und konservativen Klerikern. In der europäischen Zerreißprobe um die rechte Konfession mit ihren weltlichen Dimensionen hatte sich Papst Urban VIII., ein ausgesprochener Machtmensch, mit außenpolitischen Entscheidungen innerkirchliche Probleme eingehandelt. Schon deshalb konnte der Papst sich

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