Die 50 Groessten Luegen Und Legenden Der Weltgeschichte
dass Kopernikus recht gehabt hatte. Was er sah, bestätigte dessen These, dass sich die Erde bewegte – nur ließ es sich weiterhin nicht beweisen. Galileo führte zwar die Gezeiten an, die von der Bewegung der Erde ausgelöst seien. Er musste sich aber fragen lassen, warum sich dann Ebbe und Flut nicht an den Zwölf-Stunden-Rhythmus hielten – wir wissen heute, dass Galileo tatsächlich falschlag. Wie auch immer, es dauerte nicht mehr lange, und der Physiker aus Florenz wurde zu den Befürwortern der kopernikanischen These gezählt. Deswegen galt er für die Kirche noch lange nicht als inakzeptabel, im Gegenteil zählten hochrangige Kirchenvertreter zu seinen Förderern, darunter Jesuiten und der spätere Papst Urban VIII. Inzwischen zu einiger Berühmtheit gelangt, wurde Galileo aber nicht nur mutiger, sondern auch zunehmend überheblich und ungeduldig mit seinen Kritikern, die ihm vorwarfen, die biblische Autorität zu missachten.
Galileos Widersacher brachten die Angelegenheit 1616 vor die Inquisition, die aber keine Veranlassung sah, Galileo wegen Ketzerei zu belangen. Kopernikus’ Buch wurde vorübergehend auf den Index verbotener Bücher gesetzt, aber mit einigen Veränderungen bereits 1620 wieder zugelassen. Die Lehre des Kopernikuswar also nicht verboten, wohl aber zweifelhaft, weil weder bewiesen noch mit der Bibel vereinbar. Darum durfte sie nur als Hypothese behandelt werden, woran sich auch Galilei zu halten hatte, wie ihm der Vertreter der Inquisition, Kardinal Bellarmin, zu verstehen gab. Die Kirche wandte sich also weniger gegen die Wissenschaft an sich als gegen die Folgen unbewiesener Thesen für die Auslegung der Bibel. Das mag man aus heutiger Sicht belächeln, aber um theologische Meinungsverschiedenheiten wurden zu jener Zeit erbitterte Auseinandersetzungen geführt, weil sie das Leben damals unmittelbar berührten. Zur Zeit der Gegenreformation und im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges befand sich die katholische Kirche ohnehin in der Defensive – konnte man es den Kirchenführern da verübeln, dass sie keine unbewiesene Theorie anerkennen wollten, die eine Neuauslegung der Bibel nötig gemacht hätte? Schließlich musste sich Rom der Vorwürfe von protestantischer Seite erwehren, der Heiligen Schrift nur unzureichend zu folgen. Daher hatte das Konzil von Trient Mitte des 16. Jahrhunderts die Autorität der Bibel für Glauben und Moral ausdrücklich bestätigt.
Zum eigentlichen Inquisitionsverfahren gegen Galileo kam es erst 1633, nachdem der Gelehrte seinen Dialog veröffentlicht hatte. Galileo hatte zwar verschiedene Vorkehrungen getroffen, damit das Buch nicht zu einer Konfrontation mit der Kirche führte: Vor allem wollte er die Erdbewegung als reine Hypothese und sein Buch nicht als Parteinahme für eine Theorie, sondern als Informationsschrift verstanden wissen. Auch deshalb war es als Dialog dreier venezianischer Adliger verfasst, die die widerstreitenden Theorien gegeneinander abwägen, ohne am Ende einer ausdrücklich den Vorzug zu geben. Aber bei aller Vorsicht lief der Dialog doch recht eindeutig auf ein Plädoyer für die kopernikanische Theorie hinaus. Das offene Ergebnis des Dialogs war zu offensichtlich fabriziert, zumal Galileos Sympathiefür Kopernikus’ Theorie kein Geheimnis war. Inzwischen hatte er mehr als einmal den Eindruck vermittelt, er wolle den Theologen vorschreiben, wie sie die Heilige Schrift am besten auslegen sollten. Die Entrüstung so manchen Kirchenmannes war durchaus nachvollziehbar: Galileo schien sich in Bibelfragen für kompetenter zu halten als die Fachleute. Seiner Beliebtheit unter konservativen Klerikern dürfte das nicht gerade zuträglich gewesen sein.
Das Heilige Offizium, Vorläufer der heutigen Glaubenskongregation, zitierte den fast siebzigjährigen, kranken Galileo aus Florenz nach Rom, wo er sich für die Inquisition zur Verfügung halten sollte. Er landete aber nicht etwa in den Verliesen des Vatikans, wie allzu gern behauptet, sondern durfte mit Dienerschaft als Hofgelehrter des Großherzogs der Toskana ganz standesgemäß in dessen römischer Botschaft residieren. Während der Vernehmungen selbst erhielt er eine eigens geräumte Wohnung im Gebäude der Inquisition, und um das leibliche Wohl durfte sich die florentinische Botschaft kümmern. Diese Vorzugsbehandlung erklärt sich aus den guten Beziehungen zu Papst Urban VIII., den Galileo noch in dessen Zeit als Kardinal kennengelernt hatte, aber auch aus der generellen
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