Die 50 Groessten Luegen Und Legenden Der Weltgeschichte
bis zum Perückenmacher und Parfumhändler allerlei Läden. Selbst mit den fünfzehn Kanonen hatte es längst keine martialische Bewandtnis mehr – sie wurden nur noch bei festlichen Anlässen zu Salutschüssen eingesetzt.
Auch ohne die Revolution waren die Tage der Bastille gezählt. Weil das Gefängnis kaum noch genutzt wurde und sein Unterhalt viel zu teuer war, war ein Abriss längst geplant. Es gabbereits verschiedene Pläne für eine neue Bebauung des Areals, von denen einer nach dem Abriss auch rasch umgesetzt werden konnte.
Die Erstürmer der Bastille hatten es daher gar nicht in erster Linie auf die Befreiung der Gefangenen abgesehen, denen man sich wahrscheinlich ohnehin kaum verbunden fühlte. Fast wäre unter den Befreiten der Festung der Marquis de Sade gewesen, und dem Adligen mit höchst zweifelhaftem Lebenswandel brachten die Aufständischen wohl kaum viel Sympathie entgegen. Der Marquis war aber kurz zuvor ins Irrenhaus verlegt worden, weil er mit dem Ruf »Sie töten die Gefangenen hier drinnen!« die Bevölkerung vor dem Gefängnis aufzuwiegeln versucht hatte.
Der eigentliche Anlass für das Interesse an der Bastille waren ihre fünfzehn Kanonen. Der bekanntermaßen sanftmütige Gouverneur der Bastille de Launay hatte am Morgen eine Bürgerdelegation empfangen, die ihn aufforderte, die Kanonen herauszugeben, weil sie die Bevölkerung in Paris in Sorge versetzten. De Launay lehnte ab, weil er dazu nicht befugt sei, er habe die Kanonen aber aus den Schießscharten der Türme ziehen lassen. Er erlaubte der Delegation sogar, die Türme zu inspizieren, und wies seine Männer an, nicht zu schießen. Die Unterhändler gaben sich damit zufrieden und zogen nach einem gemeinsamen Glas Wein von dannen. Dann aber folgte eine zweite Delegation, die ohne Absprache mit der ersten die Übergabe der Festung verlangte.
Nicht zufrieden war die durch die Ereignisse der vorangegangenen Tage aufgeputschte und spätestens seit der Plünderung des Hôtel des Invalides am Morgen bewaffnete Menschenmasse vor der Bastille. Sie verlangte nach mehr und drängte auf den zugänglichen ersten Innenhof. Ein ehemaliger Soldat gelangte in den zweiten Hof und zerschlug die Ketten der Brücke, sodass diese nach unten schlug. Die eigentliche Festung war jedochdurch eine weitere Zugbrücke geschützt. Die Menge rückte vor, der Gouverneur gab Schießbefehl, das Ergebnis waren Tote und Verwundete und der Rückzug der Angreifer. Sie vermuteten, der Gouverneur habe sie absichtlich in einen Hinterhalt gelockt. Das verbreitete sich wie ein Lauffeuer, und die anwachsende, immer wütender werdende Menge sah sich veranlasst anzugreifen. Jetzt ging es nicht mehr um bedrohende Kanonen auf den Türmen oder ein mögliches Waffenlager in der Bastille. Jetzt ging es ums Prinzip, und plötzlich war die Bastille das Symbol, das dieses Ereignis zum wichtigsten der frühen Revolution machte: ein Symbol für die despotischen Machthaber.
Die Führer der Bürgermiliz ließen erneut verhandeln, worauf der Gouverneur der Bastille wiederum einging, denn er wollte ganz offenbar ein Blutbad vermeiden. Bevor es aber dazu kommen konnte, fielen trotz weißer Fahnen auf beiden Seiten Schüsse von der Festung. Als übergelaufene Soldaten mitsamt Artillerie zu den Belagerern stießen, schien die Sache endgültig ausgemacht: Die Bastille musste fallen. Die Kanonen und die offensichtliche Entschlossenheit der Menschen veranlasste den Gouverneur der Bastille, seinen letzten Trumpf auszuspielen: Er verlangte freien Abzug und drohte damit, sich und seine Männer andernfalls mitsamt aller Vorräte an Schießpulver in die Luft zu sprengen. In der Annahme, dies sei bestätigt, öffneten Soldaten das Tor. Die Menge drang ein, entwaffnete die Besatzung der Bastille und nahm die Soldaten fest. Dann suchte man die Gefangenen.
Der Thüringer Wilhelm von Wolzogen, der sich zur Zeit der Revolution zu Architekturstudien in Paris aufhielt, hat die Ereignisse des 14. Juli in seinem Tagebuch beschrieben: »Bisher hatte man immer geglaubt, daß dieses eines der festesten, unzugänglichsten Forts seie und nur durch unaufhörliches Bombardement könnte eingenommen werden; der Karakter, den es hatte, warschon hinreichend, diese Ideen zu bekräftigen. Allein gewohnt, nirgends Widerstand zu finden, auch in der Hoffnung, daß die, die darin lägen, ihre Partie ergreifen würden, rückte ohne alle Ordnung, ohne allen Plan ein Trupp bewaffneter Bürger heran. Der Gouverneur M sr de Launay
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