Die 500 (German Edition)
Verschwenden Sie nicht meine Zeit, bevor Sie den nicht gefunden haben.«
Ich wollte einen Marschbefehl. Und ich bekam Konfuzius. Also hängte ich mich wieder rein. Unter den Junior Associates, die um einen Job in der Davies Group kämpften, waren der Sohn des Verteidigungsministers, ein Bursche, der mit dreißig schon stellvertretender Leiter eines Wahlkampfs gewesen war, und zwei Rhodes-Stipendiaten, von denen einer der Enkel eines ehemaligen CIA-Direktors war. Letztlich lief der Job darauf hinaus, dass man sich in Washington auskannte, und natürlich, dass man wusste, was in der Stadt vorging. Aber noch wichtiger war, die Anthropologie der Stadt zu kennen, die Persönlichkeiten, ihre Vorlieben und Abneigungen, die verborgenen Knotenpunkte, wo die Macht zusammenlief, wer Einfluss auf wen hatte, wer wem was schuldete, wer wo eine Rechnung offen hatte. Um sich damit auszukennen, ist ein ganzes Leben mit Verbindungen nötig, muss man in D Cs Elite verwurzelt sein. Die anderen waren das. Ich nicht. Aber davon würde ich mich nicht aufhalten lassen. Weil ich inzwischen auch ein paar Sachen wusste. Das, was ich hatte, war Willenskraft, in rauen Mengen.
Also habe ich mich von LexisNexis und Google verabschiedet und bin raus aus dem Büro, um von Angesicht zu Angesicht mit einigen menschlichen Wesen zu sprechen (eine Kunst, die für viele meiner jüngeren Kollegen so rätselhaft war wie Levitation oder Schlangenbeschwörung). Ich machte mich in der Annahme an die Arbeit, dass das offizielle Washington, so eigentümlich es auch war, letztlich begriffen werden konnte wie jede andere Gemeinde.
Etwa sechs verschiedene Regierungsstellen hatten bei der Entscheidung ein Wort mitzusprechen, ob der Kaiser sein Schlupfloch behalten würde. Meine letzte Anlaufstelle entpuppte sich als ein typisches Beispiel für die Bürokratie Washingtons. Es handelte sich um eine Unterorganisation der sogenannten Interim Interagency Working Group on Manufacturing im Handelsministerium.
Es dauerte etwa eine Woche, bis ich den Arbeitskreis geknackt hatte. Es gestaltete sich deshalb etwas schwieriger, weil Marcus mich angewiesen hatte, vorerst nichts darüber verlauten zu lassen, dass wir an dem Fall arbeiteten. Ich musste mit vier oder fünf untergeordneten Angestellten reden, bevor ich an einen Dampfplauderer mit mächtigem Ego geriet, der aber nichts wusste, was für mich von Interesse war. Allerdings machte er mich mit einer Anwaltsgehilfin bekannt, die sich als Barkeeperin schwarz etwas dazuverdiente – im Stetson’s, einer Bar in der U Street, die zu Zeiten der Clinton-Regierung Anlaufpunkt für Mitarbeiter des Weißen Hauses gewesen, inzwischen aber ziemlich heruntergekommen war. Sie war ein Rotschopf und ließ es gerade ziemlich krachen. Sie war so nett und zuvorkommend, wie man sich nur wünschen konnte, obwohl sie schnarchte wie eine Kettensäge und die Angewohnheit hatte, in meiner Wohnung Sachen zu »vergessen«.
Sie breitete alles vor mir aus. Es gab zwei Frühstücksdirektoren, die das Papier abzeichneten, aber letztlich lag die Entscheidung bei drei Leuten aus dem Arbeitskreis. Zwei waren typische Behördenangestellte, menschliche Briefbeschwerer, uninteressant. Der Dritte – ein Mann namens Ray Gould – war der eigentliche Entscheidungsträger, der dafür sorgte, dass des Kaisers Schlupfloch offen blieb. Gould war Deputy Assistant Secretary (das heißt, er war dem Assistant Secretary und der dem Undersecretary unterstellt, der wiederum dem Stellvertreter des Ministers und der dem eigentlichen Handels minister unterstellt war. Und, Sie unterhalten sich gut?) Ich ertappte mich dabei, wie ich mir diesen Organigrammzungen brecher allen Ernstes vorsagte. Wenn ich mich davon ablenken wollte, diese ganze Geschichte als lächerliches Politrätsel abzutun, brauchte ich mich nur daran zu erinnern, dass seine Lösung für meinen Boss fünfzehn Millionen Dollar bedeuteten und – noch wichtiger – mir ersparen würde, für den Rest meines Lebens einen Tresen abwischen und vor Crenshaw davonlaufen zu müssen.
Außerdem begann mir gerade aufzufallen, dass ich mich köstlich amüsierte. Die Charaktere waren nicht so interessant und die Bezahlung war besser, aber ansonsten unterschied sich das alles nicht sonderlich von den Gaunereien meiner Jugend. Das elektrisierte mich ebenso sehr, wie es mir Sorgen bereitete.
Ich hatte meinen Mann. Als ich ihm Goulds Namen präsentierte, machte Marcus nicht gerade einen zufriedenen Eindruck, aber
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