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Die 500 (German Edition)

Die 500 (German Edition)

Titel: Die 500 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Quirk
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reichte. Die Decke der Höhle neigte sich immer weiter, und der Tümpel wurde immer tiefer, bis nur noch etwa dreißig Zentimeter Platz zwischen Wasseroberfläche und Decke waren. Ich hatte Angst abzusaufen, es wurde selbst für mich ein bisschen klaustrophobisch – und ich hatte einiges mitgemacht während meiner Zeit im Rekrutenausbildungsprogramm der Navy in Great Lakes, wo man nach Kräften versucht hatte, mich in fensterlosen Schiffsbäuchen zu ersticken.
    Ich begann mich gerade zu fragen, was für ein harter Knochen Annie wirklich war, als diese liebliche Stimme zu mir sagte: »Also, wir tauchen jetzt unter und schwimmen durch den kleinen Unterwassertunnel. Der ist ungefähr vier Meter lang, danach treibt uns die Strömung weiter und spült uns in die kleine Höhle unter dem Wasserfall.«
    »Ääh … okay.« Gar nichts war okay. Ich bin nicht zu stolz zuzugeben, dass sich das verdammt gruselig anhörte.
    »Du vertraust mir doch, oder?«
    »Immer weniger.«
    Sie lachte. »Einfach Luft anhalten und nicht gegen die Strömung ankämpfen. Fertig? Los!«
    Ich hörte, wie sie Luft holte und tauchte. Ich tauchte ebenfalls und glitt an den glatten Felswänden entlang. Ich unterdrückte die aufkommende Panik. Der Tunnel war vielleicht einen guten halben Meter breit, jedenfalls zu schmal, als dass ich meine Arme hätte benutzen können, und bis oben hin voller Wasser. Keine Möglichkeit aufzutauchen und nach Luft zu schnappen. Ich konnte nur mit den Füßen strampeln, um vorwärtszukommen. Die Strömung packte mich, und eine Sekunde später prallte ich gegen eine Wand aus Wasser, die neben mir aus dem Nichts aufgetaucht war, und mich in einen breiteren Kanal riss. Nach so langer Zeit im Dunkeln blendete mich die Sonne wie ein Blitzlicht. Wir schossen aus einer Rinne ins Freie und fielen etwa drei Meter tief in einen Tümpel, der sich in einer kleinen offenen Höhle hinter der ohrenbetäubenden Wasserwand des Hauptfalls befand.
    Japsend, mit weit aufgerissenen Augen, tauchten wir auf. Ich war so aufgedreht und so froh, am Leben zu sein, dass ich meine Arme um sie schlang. »Heilige Scheiße!«, sagte ich.
    »Ach ja?!«
    Wahrscheinlich sagte ich noch ein paarmal heilige Scheiße, bevor ich merkte, dass ich mich mit Annie in einer Grotte befand. Nach unserem Nahtodhüpfer fühlten wir uns beide wie aufgeputscht. Natürlich war es zu früh, irgendetwas zu versuchen. Übereifer würde die gute Sache ruinieren, die ich hier mit meiner Traumfrau am Laufen hatte. Andererseits … Eine Grotte. Ein Wasserfall. Was blieb mir übrig?
    Ich schaute ihr in die Augen – nichts. Nicht der schnelle Blick zur Seite, aber auch nicht der verhangene Küss-mich-Blick. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ich beugte mich ein bisschen vor, noch ein bisschen und … immer noch nichts. Kein Vorbeugen, kein Zurückweichen. Hundert Prozent Pokerface. Nicht die Nerven verlieren, Junge. Ich verringerte den Abstand. Um fünfzig, siebzig, neunzig, fünfundneunzig Prozent. Wenn man sich eindeutig im Landeanflug auf einen Kuss befindet, vielleicht nicht ganz am Anfang, aber ganz sicher, wenn beide Gesichter nur noch Zentimeter voneinander entfernt sind und der Abstand sich weiter verringert, dann kann man von jeder halbwegs anständigen Frau zumindest eine Andeutung erwarten, ob man freie Bahn hat oder nicht.
    Nichts. So was hatte ich noch nie erlebt. Keine Reaktion.
    Ich hing in der Luft, kein Land in Sicht, gestrandet im Nirgendwo. Ich würde bei Miss Annie Clark keinen Versuch wagen, ohne ein Zeichen des Entgegenkommens, und sei es auch noch so winzig.
    Also hörte ich auf. Einen Zentimeter vor der Glückseligkeit. Ich spielte hoch: Traumfrau, tagtäglicher Kontakt im Büro und so weiter. Ich machte einen Rückzieher. Sie schaute immer noch. Immer noch das gleiche Pokerface.
    »Verdammt schwer, dich an einem Ort wie dem hier nicht zu küssen.«
    »Ich hätte dich geküsst«, sagte sie. »Schätze, ich war einfach neugierig, wie weit du gehen würdest.«
    Ich dachte eine Sekunde darüber nach, dann fuhr ich ihr mit den Fingern durch die Haare über ihrem Ohr, umfasste sanft ihren Nacken und gab ihr die Art von Kuss, die es heute gar nicht mehr gibt – anschwellende Geigen, Pudding in den Knien, Hollywood eben.
    Als sie mich am Abend zu Hause absetzte, fragte ich sie, wann wir uns wiedersehen würden.
    »Mal sehen«, sagte sie und warf mir eine Kusshand zu. »Don’t shit where you eat.«
    Ich war vollkommen überdreht und immer noch ein bisschen

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