Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die 500 (German Edition)

Die 500 (German Edition)

Titel: Die 500 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Quirk
Vom Netzwerk:
Einzige, worüber ich nachdachte, war heikler. Weil ich es lange Zeit verdrängt hatte und weil, um die harte Wahrheit auszusprechen, ein Teil von mir es auch gar nicht wollte.
    »Mein Vater«, sagte ich. »Er …« Ich brach wieder ab.
    »Ich weiß Bescheid über Ihren Vater.«
    »Er hat bald eine Anhörung vor dem Bewährungsausschuss. Er hat jetzt sechzehn Jahre abgesessen und noch acht vor sich. Können Sie da was machen?«
    »Ich werde alles versuchen, Mike. Alles.«

3
    I n den Wochen nach meiner Beförderung wurde ich Fällen zugewiesen, an denen auch Annie Clark arbeitete. Ich begann mich zu fragen, ob Henry Davies dahintersteckte, andererseits waren wir ja hier nicht beim Flaschendrehen.
    Wir waren jetzt beide Senior Associates, aber sie war bei jedem Projekt eindeutig der Boss. Sie arbeitete schon seit vier Jahren in der Firma, und Gerüchte gingen um, dass sie es zum ersten weiblichen Partner bringen würde. Sie führte jede Menge Vieraugengespräche mit Henry, was in der Firma als ultimatives Zeichen für Einfluss galt.
    Das wettbewerbsorientierte Machoklima innerhalb der Davies Group erinnerte mich an die Seminare an der Harvard Law School. Nicht nur, dass Annie sich gegen die Jungs behaupten konnte. Sie tat es mit einer Gelassenheit, einem trockenen Humor und einer Härte, die bei einer derart graziösen Frau besonders tödlich war. Für meine Absichten von Nach teil war, dass sie kein Mensch war, mit dem man einfach so flir ten konnte. Sie jagte den meisten Kerlen eine Heidenangst ein.
    In den vielen Stunden, die wir zusammenarbeiteten, entwickelten wir ein harmonisches und freundschaftliches Verhältnis als Kollegen. Hin und wieder, wenn wir um elf Uhr abends am Konferenztisch saßen und die letzten Änderungen an einem Bericht für einen Klienten durchgingen, nahm ich eine gemeinsame Schwingung wahr: eine von ihr ausgehende Wärme, bei der es mir wie das Normalste von der Welt erschien, näher zu ihr hinzurutschen, ihren Arm oder ihre Schulter zu berühren, ihr in die Augen zu blicken. Ich hatte das höchst seltsame Gefühl, dass sie mich beobachtete, dass sie austestete, wie weit ich wirklich gehen würde.
    Allerdings war es gut möglich, dass ich einer Selbsttäuschung erlag. Ich hatte mich schwer verliebt. Es war ja auch eine einzigartig schlechte Idee, gerade jetzt, da ich mir das gute Leben bei Davies erkämpft hatte, eine Frau anzugraben, die zwar nicht gerade mein Boss war, aber eindeutig eine Liga über mir und obendrein Davies nahestand. Und natürlich würde ich sicher nicht irgendetwas anleiern in der Umgebung, in der wir uns normalerweise sahen: im Kreis von Kollegen, die sich mit uns daran abmühten, einen knappen Termin einzuhalten.
    Mein Pläne schmiedendes Hirn arbeitete auf Hochtouren und heckte ständig Möglichkeiten aus, wie wir zusammenkommen könnten. Aber schließlich war sie es, die mich zuerst abpasste. Die Davies Group hatte im Keller einen Fitnessraum. In einem hinteren Winkel der Tiefgarage öffnete man eine unscheinbare Tür und blickte in ein elfhundert Quadratmeter großes Fitness-Utopia: reihenweise nagelneu blitzende Geräte, Flachbildschirmfernseher und Trainingsklamotten mit dem Davies-Logo, die sorgfältig zusammengefaltet für dich bereitlagen.
    Um Mitternacht oder ein Uhr morgens, wenn die Putzkolonnen Feierabend gemacht hatten und das ganze Gebäude leer war, wenn man noch bei der Arbeit saß und vom langen Starren auf den Bildschirm langsam verrückt wurde, war der Fitnessraum das Paradies.
    Eines Nachts hatte ich sechzehn Stunden aufgestaute Energie zu verbrennen, ging nach unten und übertrieb es wohl ein bisschen. Ich sprintete auf dem Laufband, machte Klimmzüge und Liegestütze, stemmte Gewichte und schwitzte und schnaufte bei voll aufgedrehtem iPod. Während ich mich voll darauf konzentrierte, nicht zu kotzen und zu verhindern, dass mich die Gewichte erschlugen, habe ich wohl alles um mich herum vergessen. Während meiner gesamten Zeit bei Davies habe ich, soweit ich mich erinnern kann, nur ein einziges Mal jemanden so spät da unten angetroffen. Ich meine, welcher Wahnsinnige geht schon morgens um eins in den Fitnessraum?
    Entschuldigungen für das Unentschuldbare. Der Shuffle- Modus meines iPods hatte einen bestimmten Song ausgesucht, sagen wir »Respect« von Aretha Franklin, und vielleicht habe ich da aus vollem Hals mitgegrölt. Und zwischendurch viel leicht noch ein kleines Tänzchen hingelegt. Schuld waren jedenfalls die Endorphine, klar.
    Wie auch

Weitere Kostenlose Bücher