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Die 500 (German Edition)

Die 500 (German Edition)

Titel: Die 500 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Quirk
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einer sturzlangweiligen Businessparty mit dem Rat kam: »Wenn Sie in Washington einen Freund suchen, besorgen Sie sich einen Hund.« Immer gefolgt von japsendem Gelächter. Angeblich stammt der Spruch von Truman. Jedes Mal, wenn ich ihn hörte, wurden mir zwei Dinge bewusst: Erstens, D C man gelt es derart an gesellschaftlichen Umgangsformen, dass man perverserweise stolz darauf ist. Zweitens, dass mein Gesprächspartner sogar noch Spaß daran hatte, mich davon in Kenntnis zu setzen, dass er mich bescheißen würde, sobald ich ihm auch nur den Hauch einer Gelegenheit dazu gäbe.
    Nun ja, wenigstens sind sie ehrlich. Man findet in der Hauptstadt schnell neue Freunde, allerdings kaum gute, da es in der Stadt von durchreisenden, sich kaum unterscheidenden Figuren in den Zwanzigern wimmelt, die alle im gleichen Geschäft arbeiten, in der Politik, wo die entscheidenden Fähigkeiten Schmeichelei und falsche Freundlichkeit sind. Der Rhodes-Stipendiat Tuck, mein Arbeitskollege bei der Davies Group, war die einzige Ausnahme unter meinen vielen Bekannten in D C.
    Er war der Spross einer Georgetown-Dynastie im Staatsdienst: der Großvater ein ehemaliger CIA-Direktor, der Vater ein hohes Tier im Außenministerium. Auch er war in der Davies Group auf der Überholspur unterwegs, schien allerdings, vielleicht weil er in dieses Milieu hineingeboren war, weniger von Politik und Macht besessen zu sein als der Rest von uns. Wir arbeiteten bei ein paar Projekten zusammen. Spätabends machten wir oft eine Pause, gingen nach draußen auf den Rasen und warfen uns einen Football zu, um etwas Dampf abzulassen. Eines Abends, so um Mitternacht, rutschte ihm der Ball aus und rauschte direkt aufs Nachbargrundstück, wo die syrische Botschaft residierte. Ich habe ein paar Erfahrungen mit zu überwindenden Zäunen, also war das kein großes Prob lem. Wir kletterten beide rüber. Nur in Kalorama ist es möglich, das Territorium einer feindlichen Nation zu betreten, um sich seinen Football zurückzuholen. Wir hatten den Ball gerade gefunden, als hinter einer Garage eine Taschenlampe aufleuchtete. Ich wuchtete Tuck über den Zaun und hievte mich gerade noch rechtzeitig selbst hinüber.
    Danach trafen wir uns auch öfter außerhalb des Büros. Er kannte jeden – es ging das Gerücht, dass er mit der Tochter des Vizepräsidenten schlief – und stellte mich überall vor.
    Als ich in die Stadt kam, glaubte ich, Partys seien, nun ja, Partys. Wo magische Dinge passieren können, wenn man die richtigen Leute traf und ein gewisser Groove im Gange war: tanzende Leute, Knutschen auf der Feuertreppe, und bei Sonnenaufgang sitzen noch alle um ein Lagerfeuer herum und reden, Spaß eben. Aber selbst Leute in den Zwanzigern feiern in DC ihre Partys wie verheiratete Fünfzigjährige. Alles dreht sich um Netzwerkpflege.
    Tucks Eltern waren übers Wochenende weggefahren, und er lud mich zum Barbecue ein. Das Haus war ein weitläufiges Anwesen in Georgetown mit einem Swimmingpool im Garten. Es war schon spätabends, und wir hatten seit dem frühen Nachmittag getrunken. Ich weiß nicht mehr, ob er oder ich auf die Idee kam, kurz ins Wasser zu hüpfen, jedenfalls zog ich mich bis auf die Shorts aus und sprang in den Pool. Ich weiß noch, dass ich das Ganze vor dem Eintauchen für eine fantastische und eine halbe Sekunde später für eine erfri schende Idee gehalten hatte. Als ich aber am tiefen Ende des Pools wieder auftauchte und nach Luft schnappte, sah ich sonst niemanden im Wasser, nur auf dem Rasen eine entrüs tete Bande, zu der die halbe Europa-Abteilung des Nationalen Sicherheitsrats gehörte. Ich kapierte die Botschaft: Amüsiere dich nie auf einer Party.
    Mit dieser Erkenntnis im Hinterkopf ging ich zu der Cocktailparty an jenem Abend. Der Gastgeber war ein Verleger, ein gut vernetzter Bursche namens Chip. Wenn es darum ging, wer von den Leuten, die ich aus Harvard oder D C kannte, den am meisten nach WASP klingenden Namen hatte, lag Chip ziemlich weit vorn. (Tuck hieß eigentlich Everett Tucker Straus I V. Das übliche Verfahren in der Nomenklatur der Ostküstenelite war, mit einem unerträglich spießigen Namen anzufangen, zum Beispiel Winthrop, und diesen dann zu etwas Lächerlichem wie »Winnie« abzukürzen.)
    Wann immer ich vor der Haustür einer Villa wie der von Chip stand, die sich in der Nachbarschaft des Naval Observatory und eines weiteren Georgetown-Monsteranwesens, der Britischen Botschaft, befand, überkam mich leise das vertrau te Gefühl,

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