Die 500 (German Edition)
fehl am Platz zu sein, ein Eindringling. Als ich klingelte, fühlte ich mich fast wieder wie der jugendliche Gauner von damals, der auscheckt, ob jemand zu Hause ist, der auf Hundebellen lauscht und die Keramiksplitter einer Zündkerze in der Hand hält. (Die heißen in der Branche »ninja rocks«. Sie liegen so leicht in der Hand wie Erdnüsse, aber wenn man sie gegen ein Fenster wirft, zerschmettert die harte Keramik das Glas so sicher wie ein Betonziegel, nur dass die zusammenfallende Scheibe nicht mehr Lärm macht als Nieselregen. Magisch.)
Diese Zeiten waren natürlich längst vorbei. Als das philippinische Kindermädchen die Tür öffnete und ich an mir herunterschaute, sah ich nicht meine alten Einbrecherklamotten, Malerhose aus grobem Leinen und Kapuzenshirt, sondern meinen grauen Canali-Anzug mit blauen Nadelstreifen und, wie ich es bei der Navy gelernt hatte, Krawatte, Gürtelschnalle und Hosenschlitz akkurat in einer Linie.
Man könnte meinen, dass ich angesichts eines Terminkalenders voller steifer Partys, bei denen ich meine Drinks zählte und darauf achtete, was ich sagte, zu Tode gelangweilt war. Anfangs war ich das auch, aber schließlich begreift man, dass man sich in diesen ruhigen Salons auf ganz andere Art amü sierte. Das eigentliche Spiel unterhalb der Oberfläche aus gereichten Horsd’œuvres und höflichem Lachen bestand darin, Schwachpunkte zu erspüren, Zusagen zu erreichen, Informationen zusammenzutragen, Festlegungen zu vermeiden, Zweifel zu säen und Rivalitäten zu schüren. Das sittsame Geplapper ist Vollkontaktsport. Es läuft auf die Frage hinaus, wer ein Matador ist und wer ein Stier. Es ist ein Spiel, das ich mit je dem Tag besser beherrschte. Nicht ganz so amüsant wie ein Bad im Mondschein, aber seine Reize sagten mir mehr und mehr zu.
Eine Ansammlung von hohen Tieren und Salonlöwen kann anfangs etwas einschüchternd sein, aber nachdem ich mich unter die Leute gemischt und hier und da ein vertrautes Gesicht entdeckt hatte, gehörte ich schnell dazu, plauderte und riss Witze. Es war jetzt April, ich war seit zehn Monaten in D C, und in dieser Zeit hatte mir die Davies Group viele Türen geöffnet. Diese exklusive Welt war jetzt mein Spielplatz.
Tatsächlich stellte die anwesende Gesellschaft keine üble Zusammenfassung meines schnellen und im Großen und Ganzen zufriedenstellenden Aufstiegs in der Davies Group dar. Da war zum Beispiel Senator Michael Roebling, der zwischen ein paar jüngeren Damen stand und mit fast überzeugender Bescheidenheit erklärte: »Wenn man den Blick in den Augen dieser Kinder sieht, dann ist das Dank genug.«
Gemeint war der Heartland Kids Fund, bei dessen Gründung wir Roebling unter die Arme gegriffen hatten. Es gibt Dutzende von Methoden, Politiker auf legale Weise zu kaufen – indirekte Zuwendungen an ein Political Action Commit tee, also eine politische Lobbygruppe, oder direkte Wahlkampf spenden, die … ich könnte Stunden darüber reden. Aber diese Zuwendungen reichten nicht ganz für Roebling. Das meiste ging für Wahlkampfausgaben drauf, was man zwar liberal interpretieren kann, aber nicht liberal genug für die Gelüste unseres werten Senators.
Weil er den Hals mit Geld aus legalen Quellen nicht vollkriegte, halfen wir ihm mit ein paar Ratschlägen und Handlungsanleitungen bei der Organisation seiner kleinen Non-Profit-Unternehmung, die ein buntes Wellnessprogramm zu bieten hatte: Sommerlager für Straffällige, Ausflüge nach Disneyland für Notleidende, Streichelzoos für Beschränkte, was es eben so gibt. Für Non-Profit-Organisationen kann man unbegrenzt spenden, und man muss keinen lästigen Rechenschaftspflichten nachkommen, die das Spendensammeln in den letzten zehn Jahren so beschwerlich gemacht haben. Da Vorstand und Mitarbeiterstab von Heartland Kids mit Freunden von Roebling besetzt sind, kann der Senator so viel Geld für seine Kinder ausgeben, wie ihm sein Gewissen abverlangt, und der Rest geht in den Futtersack: angenehme Posten für seine angeheiratete Familie, Kontemplationszentren in der Nähe seiner Lieblingsangelplätze, komplett auf Spesen abgerechnete Reisen und so weiter. Es stellte sich heraus, dass ihm sein Gewissen nicht viel abverlangte.
Das war vielleicht nicht das Honorigste, was ich in meinem Leben angestellt habe, aber wenigstens haben die Kinder (wie auch die Davies Group und ich) ihren Schnitt bei dem Profit gemacht, den der Senator abzukassieren ohnehin wild entschlossen war. In der Zwischenzeit gab
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