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Die 500 (German Edition)

Die 500 (German Edition)

Titel: Die 500 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Quirk
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schockiert, wie schnell ich es bei Annie geschafft hatte. Ich versuchte das knallharte Mädchen aus den Bergen in Einklang zu bringen mit der kultivierten jungen Frau aus Washington, die ich von der Arbeit her kannte. Die Romanze hatte sich ganz natürlich entwickelt und entwickelte sich noch weiter.
    Wir hatten ein paar förmliche Verabredungen, bei denen ich sie mit anspruchsvollen Vergnügungen beeindrucken wollte – Degustationsmenüs, Weinbars, Feierabenddrinks in der Phillips Collection. Aber ich war überrascht, wie schnell wir auf die Gewohnheiten eines zufriedenen Paars verfielen. Wenn wir nicht arbeiten mussten, konnten wir ein ganzes Wochenende zu Hause herumhängen: Wir spazierten durch die Nachbarschaft, saßen den halben Tag vor einem Café oder auf meiner Veranda und lasen. Wir wollten nicht getrennt sein. Zufrieden beobachtete ich, wie sie langsam mein Bad in Beschlag nahm. Immer nur ein Gegenstand – erst eine Zahnbürste, dann eine Flasche Shampoo. Sie hatte keinen Grund, in ihre zwei Zimmer in Glover Park zurückzufahren. Wie bei den meisten DC-Workaholics war auch ihre Wohnung spärlich eingerichtet, und in den Wandschränken stapelten sich nicht ausgepackte Kartons.
    Eines Abends, etwa drei Monate nach jenem ersten Kuss, kam sie direkt nach der Arbeit mit einem Stapel Klamotten zu mir, den sie in einer Reinigung in der Nähe des Büros hatte waschen lassen. Nach einem späten Abendessen machten wir es uns auf der Couch bequem und lasen. Ich saß, sie hatte sich hingelegt, mit den Beinen über der Armlehne und dem Kopf auf meinem Oberschenkel. Ich strich ihr übers Haar. Plötzlich nahm sie das Buch herunter und schaute zu ihren Sachen, die in Plastiküberzügen am Türgriff des Dielenschranks hingen.
    »Hast du was dagegen, wenn ich das hierlasse? Ist wahrscheinlich praktischer, als dauernd um Mitternacht nach Hause zu fahren.«
    Ich schaute nachdenklich in den Flur. In den ersten Tagen unserer Beziehung war meine Strategie gewesen, sie nicht dadurch abzuschrecken, jedes Mal, wenn sie mir in die Augen schaute, »Heirate mich«, zu brüllen. Ich hoffte, dass wir uns nach und nach näherkämen, dass wir uns mehr und mehr aneinander gewöhnten, bis sie mir schließlich ins Netz ginge, ohne dass ich mich auf das heikle Terrain der Beziehungsgespräche würde begeben müssen.
    Bislang hatte es geklappt. Das war jetzt einer der Augenblicke, in denen ich bewusst an mich halten musste. Die Wahrheit war, dass mir nichts lieber gewesen wäre, als dass sie bei mir einzog – selbst in einem so frühen Stadium unserer Beziehung.
    »Ich will dich nicht drängen oder so«, sagte sie.
    »Tu’s ruhig«, sagte ich. »Du bist das Beste, was mir je passiert ist.« Ich beugte mich vor und küsste sie. Sie fuhr mir mit der Hand durch die Haare und schaute mich lange und schmachtend an, was hieß, die Gesellschaft würde sich gleich ins Schlafzimmer verfügen.
    Aber dann klingelte ihr Handy. Es lag neben mir auf dem Beistelltisch.
    »Mach’s aus«, sagte sie.
    Ich schaute aufs Display. »Es ist Henry Davies.«
    Sie setzte sich auf. »Stört’s dich?«, sagte sie und versuchte dann, einen etwas beiläufigeren Ton anzuschlagen. »Nur für den Fall, dass es wichtig ist. Ich mache morgen das Angebot für den Boss von der Börsenaufsicht.«
    »Kein Problem«, sagte ich und verfluchte im Stillen das Telefon.
    Sie hob ab, und einen Augenblick später stand sie auf und ging mit dem Telefon auf die Veranda. Sie blieb etwa fünf Minuten draußen in der Kälte.
    »Entschuldige«, sagte sie, als sie wieder hereinkam. Sie ging hinter die Couch, beugte sich vor, drückte ihre Wange gegen meine und küsste mich dann in den Nacken.
    »Worüber habt ihr die ganze Zeit geredet?«, fragte ich. Wir waren verliebt, klar, aber schließlich arbeiteten wir beide für die Davies Group, und das schloss ein gewisses Maß an Rangelei um die bessere Ausgangsposition, um Einflussmöglichkeiten ein. So war das eben.
    »Das liegt jenseits deiner Gehaltsstufe.« Sie lächelte mich herausfordernd an. »Und?«, sagte sie und fuhr mir mit der Hand über die Brust. »Wollen wir?«
    Ich ließ das Thema fallen, nahm ihre Hand und ging mit ihr nach oben.
    Die Arbeit, Annie: Ich hatte alles, was ich jemals gewollt hatte. Es kam mir alles zu einfach vor. Und genau das war es auch.

4
    W illkommen in Washington, dem Ort, wo es nichts zu lachen gibt. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft mir während meines ersten Jahres in DC ein steifer Anzugträger auf

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