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Die 500 (German Edition)

Die 500 (German Edition)

Titel: Die 500 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Quirk
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versuchte immer, mich da rauszuhalten. Wahrscheinlich glaubte er, wenn er ein guter Gauner wäre, dann könnte er es sich leis ten, dass ich sauber blieb. Deshalb wurde ich ein eifriger Schüler, als Marcus mir in der Sprache der Ehrbaren erklärte, was mein Vater von mir ferngehalten hatte.
    Wenn man bei der »Rekrutierung von Humankapital« – das war der Ausdruck, den Marcus gelegentlich für unsere Art von Arbeit verwendete – eines lernt, dann das: G.I.E.R. Das steht für Geld, Ideologie, Ego, Repression. In unserem Geschäft sind das die einzigen Gründe, aus denen die Leute alles machen. Das war das Fundament für alles, was Marcus mir beibrachte, der Feinschliff von allem, was Henry meinte, wenn er über Hebel redete und davon, dass es darum ging, die Menschen in der Hand zu haben.
    Marcus schrieb diese Begriffe an die Tafel in seinem Büro und fragte, ob sie mir einleuchteten. Ich schaute sie ein, zwei Minuten lang an, zuckte mit den Achseln und sagte, ich würde es versuchen.
    »Sagen wir, ein Bursche namens … was weiß ich … Henry, der will die Kontrolle über irgendeinen Trottel namens Mike.« Ich ging vor der Tafel auf und ab. »Geld, das ist einfach: Mike hat in seiner Kindheit keine zwei Dollar auf einem Haufen gesehen, und die Schulden stehen ihm bis zum Hals. Ideologie: Unser armer Mike glaubt immer noch den alten Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Bockmist, dass die Leistungsgesell schaft harte Arbeit und Köpfchen immer belohnt. Ego: Hinter Mikes geheuchelter Malocherbescheidenheit steckt in Wahrheit die Überzeugung, dass er der schlaueste Bursche weit und breit ist. Obendrein trägt er noch den Mühlstein des im Knast sitzenden Vaters und eine zwielichtige Vergangenheit mit sich herum, was ihm das gute Leben verwehrt, das er eigentlich verdient. Kurz, Mike dümpelt vor sich hin wie eine gottverdammte Lockente.«
    An diesem Punkt musste Marcus lachen. »Eins fehlt noch«, sagte er.
    »Repression. Tja, was haben Sie da gegen mich in der Hand, Marcus?«
    Er tat verschämt, sagte nichts und wischte die Tafel ab. »Weiter: das McCain-Feingold-Gesetz zur Reform der Wahlkampffinanzierung 2002 …«
    Es sollte sich herausstellen, dass er jede Menge in der Hand hatte.
    G.I.E.R.: Diese vier Punkte wurden meine Bibel.
    Wir können uns natürlich über Lebensphilosophien streiten, aber Geld ist unmissverständlich. Was Erfolg und Status angeht, können sich die meisten Menschen so ziemlich alles dafür kaufen, was sie wollen. Ideologie heißt, Menschen dazu zu bringen, an das zu glauben, was du willst. Es wäre schön, wenn es dabei immer nur um hehre Ziele ginge (was die Amerikaner laut Marcus auch immer glaubten), aber dem ist meistens nicht so. Man kann jemanden nicht davon überzeugen, etwas zu tun, wenn er es nicht vor sich selbst rationalisieren kann. Der Schurke in jedem Film muss glauben, dass er der Held ist.
    Ego bedeutet, auf die Überzeugung der Leute zu setzen, dass sie vom Leben beschissen worden sind, dass sie schlauer als alle anderen sind oder härter arbeiten oder rechtschaffe ner sind und deshalb einen besseren Job verdienen, mehr Geld, mehr Anerkennung, eine attraktivere Frau, was auch immer. Das trifft meiner Meinung nach auf neunundneunzig Komma neun Prozent der Bevölkerung zu.
    Repression heißt, die Abgründe eines Menschen zu finden, um ein Druckmittel zu haben. Die Amerikaner versuchen in der Regel, diese Methode zu umgehen, weil sie gegen einige Grundvorstellungen des Fair Plays verstößt (die Yankees glau ben, dass für Geld und Ideologie jeder die Seiten wechselt), aber für die Chinesen und die Russen ist sie alltäglich.
    Jetzt ist Ihnen genauso wie mir vielleicht aufgefallen, dass sich vieles von dieser Theorie – über die Chinesen und die Russen und Repression – ein bisschen extrem anhört für die Arbeit im Umfeld der Regierung. Ich dachte, Lobbyarbeit bedeutete eher, bei einem guten Steak Schlupflöcher zu verhandeln. Tatsächlich bekam ich eine ziemliche exakte Vorstellung davon, wie William Marcus, der Mann ohne Vergangenheit, tickte.
    Eines Tages beschloss ich, mich zu vergewissern. Marcus war draußen hinter dem Büro, um eine Zigarette zu rauchen, was mir eigentlich hätte Hinweis genug sein sollen, mich nicht mit ihm anzulegen, weil er die Camels nämlich nur dann auspackte, wenn er sich über irgendetwas den Kopf zerbrach. Ich schlich mich im Zehen-Fersen-Gang möglichst leise von hinten an ihn heran, wie ich es bei der Marine in der Nahkampfausbildung zum

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