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Die 500 (German Edition)

Die 500 (German Edition)

Titel: Die 500 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Quirk
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gerne Shorts trugen. Sie kurvten in offenen Jeeps durch die Gegend, gaben die Alphatiere und schleppten Weiber ab, die wie megazickige Fox-News-Blondinen aussahen.
    Politiker und in geringerem Ausmaß Firmenbosse sind nicht wie unsereins. Wenn man wirklich verstehen will, wie sie denken, muss man sich in einem Buchladen die Abteilung für Personalführung und Managerratgeber anschauen, wo man auf drei Regalmetern erklärt bekommt, wie man sich eine falsche Identität zusammenbastelt. Politiker haben eine Maske für die Öffentlichkeit – Fernsehen und Wähler – und eine für Freunde und Bekannte. Möglich, dass sich darunter noch etwas echte Persönlichkeit verbirgt, aber ich tendiere zu der Ansicht, dass sie die im Lauf der vielen Jahre voller Meinungsumfragen und volkstümelnder Anekdoten selbst vergessen haben.
    Bis jetzt hatte ich nur Walkers berufliche Fassade kennengelernt: den liebenswürdigen Südstaaten-Gentleman, christlich genug, um oben zu bleiben, aber nicht mit so viel Bibelschaum vorm Mund, um die Moderaten zu verschrecken. Das Dossier über Walker, das Marcus mir gegeben hatte, war voller psychologischem Hokuspokus: Selbstwertgefühl in Kindheit und Jugend, Überkompensation, Hypersexualität. Das ist kein ungewöhnliches Profil unter Politkern. Entsprechende Gerüchte über ihn hatte ich schon gehört. An jenem Abend blieben wir, bis die Bar dichtmachte. Nachdem ich ein paar Stunden mit ihm getrunken hatte, war ich eher der Meinung, dass sein Ruf als Schürzenjäger ein bisschen übertrieben war.
    Dann fiel mir auf, dass er immer wieder zu einer Studentin auf der anderen Seite der Bar schaute: um die zwanzig, höchstens. Nach der letzten Bestellung fragte ich ihn, was er jetzt vorhabe. Mit weichem Mississippi-Zungenschlag sagte er: »Mal sehen, ob ich für meinen Zuckerstängel noch ein feuchtes Plätzchen finde.« Dann stand er auf und ging zu ihr.
    Ich wusste nicht oder wollte nicht wissen, was das bedeutete, hatte aber eine halbwegs konkrete Vermutung.
    Das war das erste Mal, dass er sich in meiner Gegenwart gehen ließ. Und von da an wurde es schlimmer. Den vulgären Sexslang, in dem er sich ausdrückte, verstand ich kaum, was wahrscheinlich auch besser war. Ich nahm an, dass er bloß Sprüche machte. Ich konnte schnell sauer werden, wenn es um ungalantes Benehmen in Gegenwart von Frauen ging – das einzig Gute, was mein Vater an mich weitergegeben hatte. Die Hälfte von Walkers Sprüchen schien allen Gesetzen des Stehvermögens oder anatomischen Grundwissens zu widersprechen. Aber abgesehen davon, dass er es mit seinen Machosprüchen übertrieb, war er ein unterhaltsamer Bursche und eine willkommene Abwechslung von der immer gleichen Cocktailpartyschleife der Bürokraten.
    Heute Abend, chez Chip, machte Walker die übliche Verwandlung durch. Nachdem er sich gegenüber einem anderen Abgeordneten über die Chancen von dessen Partei bei den nächsten Zwischenwahlen lustig gemacht hatte, ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen, senkte die Stimme und fragte mich leise, ob ich bereit sei für etwas wirklich »Schräges«. Als eine attraktive junge Frau in Hörweite auftauchte, schaltete er binnen einer Sekunde wieder in den Charme-Modus um und verwickelte sie in ein absolut jungfräuliches Gespräch über die jeweiligen Vorzüge der Universitäten Yale und Brown.
    »Ich werde ein gutes Wort für Sie einlegen«, sagte er. Dann zog sie mit hüpfenden Locken ab, und er erging sich sofort wieder in den Feinheiten eines venerischen Themas, das ich an dieser Stelle nicht einmal erwähnen möchte. Er glaubte, er sei leiser, als er tatsächlich war. Er wurde langsam betrunken und stürzte den einen Drink hinunter, um sich gleich den nächsten zu genehmigen.
    Als ich auf die Toilette ging, passte Marcus mich ab. »Lassen Sie Walker heute Abend nicht aus den Augen, egal, was passiert«, sagte er.
    »Warum?«, fragte ich. »Was läuft hier?«
    »Vertrauen Sie mir. Weichen Sie ihm nicht von der Seite.«
    Der typisch sphinxhafte Bockmist meiner Bosse. Ich wusste sehr wenig darüber, was wir von Walker wollten. Außer dass er auf dem besten Weg zum Schwergewicht war und man ihn deshalb kennen sollte. Ich hatte ein paar Andeutungen aufgeschnappt, Sachen, die ich vielleicht gar nicht wissen sollte, und ein paar Einzelheiten von Marcus erfahren, die ich ihm wie Würmer aus der Nase hatte ziehen müssen. Wir hatten einen Klienten, einen Burschen aus Bosnien oder dem Kosovo – ich konnte diese in der

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