Die 500 (German Edition)
nehmen, wo er auf Weiterbeförderung wartete.
Es war der Fünfzehnte. Ich wusste, dass Marcus einen Termin außer Haus hatte. Ich hatte versucht, ihn ans Telefon zu bekommen, und seine Sekretärin hatte mir gesagt, dass er zwi schen elf und zwei nicht in seinem Büro sei. Sie ging wie immer um halb zehn in das Großraumbüro im Erdgeschoss, um seine Spesenabrechnung abzugeben. Kurz darauf ging auch ich nach unten zu Peg, der für die Lohnbuchhaltung zuständigen Angestellten.
Ich hatte einen Stapel brauner Briefumschläge unter dem Arm, außerdem ein paar Briefe zur hausinternen Weiterleitung. An der Trennwand ihres Arbeitsplatzes stand auf dem Schreibtisch ein Drahtkorb, in den man die Spesenabrechnung legte. Der Korb war etwa halb voll, und da ich gesehen hatte, dass Marcus’ Sekretärin den Raum gerade erst verlassen hatte, musste das oberste Kuvert das von Marcus sein. Die Arbeitsnischen lagen dicht nebeneinander, an der Decke hingen etwa alle fünf Meter schwarze Dome-Überwachungskameras. Ich musste also raffiniert vorgehen.
Es gibt einen Kartentrick, den Falschspieler »Bottom Change« nennen. Unbemerkt vom Objekt tauscht man die unterste Karte eines Stapels gegen eine aus, die man in der Hand versteckt hält. Dann deckt man plötzlich unter Ooohs und Aaahs die Karte des Objekts auf oder zieht sie aus der Mitte des Stapels heraus. Der Trick taugt für dröge Onkels und zurückgebliebene Mittelschüler. Für Betrügereien wichti ger ist der Umstand, dass der »Bottom Change« der Grund ist, warum man beim »Three Card Monte« nie gewinnen kann. Sie wissen, wie der Kartengeber beim »Three Card Monte« vermeintlich die von Ihnen ausgesuchte Karte, in Wahrheit aber eine andere umdreht? Das ist eine »Mexican Turnover« genannte Variante des »Bottom Change«, bei der eine Verliererkarte aufgedeckt wird und Ihr Geld beim Teufel ist.
Mit so einem »Bottom Change« hatte ich vor, mir Marcus’ Spesenabrechnung unter den Nagel zu reißen. Irreführung ist der Schlüssel, um mit allem davonzukommen. Peg war eine dieser Bürodamen, die von allen Wehwehchen dieser Welt heimgesucht werden. Sie hatte ein Fußbänkchen, eine Handballenauflage, einen Handgelenkschoner und einen Kaffeebecher mit Katzenbildchen. Bei den meisten Gesprächen mit ihr ging es um ihre aktuelle, üblicherweise schlecht verlaufende Krankheitsgeschichte, oder sie jammerte darüber, es gar nicht erwarten zu können, dass endlich Freitag sei. Ich hatte genügend Stoff für eine ausgedehnte Plauderei, die sie ablenken würde.
Und nun, meine Damen und Herren, werden Sie Zeugen, wie der fabelhafte Michael Ford einen »Bottom Change« mit einem Stapel hausinterner Post durchführt. Trommelwirbel.
Ich hielt meinen Briefstapel bereit, ging zu Pegs Schreibtisch und erkundigte mich nach ihrem Befinden. Sie schluckte den Köder und ließ sich sofort darüber aus, dass sie die fliegenden Mücken wieder plagten, während ich mit einem schnellen Blick überprüfte, ob der Umschlag von Marcus’ Sekretärin oben auf dem Stapel lag. Das tat er. Also fragte ich sie etwas äußerst Vertracktes über die nächsten Anmeldefristen für unseren Gruppenkrankenversicherungsvertrag.
»Gute Frage. Da muss ich mal eben nachschauen.«
Als sie sich ihrem Computer zuwandte und zu tippen anfing, bewegte ich meinen Stapel über den Drahtkorb. Mit dem Daumen schob ich mein eigenes Abrechnungskuvert oben von meinem Stapel, während ich das oberste Kuvert auf dem Drahtkorbstapel – Marcus’ Spesenabrechnungen – mit Ringfinger und kleinem Finger anhob und akkurat und unsichtbar unter meinen Stapel schob. Ein perfekter »Bottom Change«.
Allerdings fiel mir auf, als ich während der Tauschaktion nach unten schaute, dass der Umschlag unter Marcus’ Umschlag ebenfalls die Handschrift seiner Sekretärin trug und dass die Beschriftung exakt die gleiche war: »Von: Carolyn Green. An: Spesenabteilung. Erdgeschoss.«
Scheiße. Hatte ich den falschen Umschlag erwischt?
Als Peg mir meine Frage beantwortete, wandte ich den Blick von dem Drahtkorb ab.
Ich brauchte noch eine Ablenkung. Und zwar schnell. »Tja, und wenn ich schon mal da bin, hätte ich gleich noch eine zweite Frage. Wie hoch sind eigentlich beim Pensions plan die Jahresgebühren für den Contrafund im Vergleich zu dem für den Dow-Jones-Indexfonds? Die fressen mir die Haare vom Kopf.«
Das wusste sie auswendig. Scheiße. Also weiter. »Und die vom Diversified International?«
»Tja, lassen Sie mich eben
Weitere Kostenlose Bücher