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Die 500 (German Edition)

Die 500 (German Edition)

Titel: Die 500 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Quirk
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Rollkragen jedoch eine äußerst schlechte Idee. Sie würden nicht glauben, wie schweißtreibend es ist, etwas zu klauen. Und nichts läuft je nach Plan. Normalerweise haben Sie nach so einem Job einen oder zwei zerquetschte Finger, ein paar hübsche Schnittwunden von einem Fliegen gitter oder einer zerbrochenen Fensterscheibe, vielleicht so gar ein paar Hundebisse. Und wenn Sie wieder nach Hause düsen, bleibt Ihnen für all die Mühen in der Hälfte aller Fälle die fabelhafte Beute von siebenundzwanzig Dollar oder eine Büchse voller Vierteldollarmünzen. Sie stinken höllisch nach Schweiß (sogar ohne Rollkragen), und der Stundenlohn – Vorbereitungen, Verticken der Beute und Zahl der fehlge schlagenen Versuche mit eingerechnet – beläuft sich auf eine derart klägliche Summe, dass sie gleich bei McDonald’s hätten anheuern können.
    Meine Versuche herauszufinden, was Marcus und Davies mit dem Band anfangen wollten, standen unter einem ähnlich schlechten Stern. Ich wusste nicht, was die beiden vorhatten, aber sie gingen dabei so verschwiegen vor, als heckten sie ein zweites Manhattan Project aus. Marcus war ständig für lange Lunchpausen außer Haus. »Hey, wissen Sie, wo Marcus sich rumtreibt? Er müsste mal einen Blick auf einen Bericht werfen.« Beiläufige Anfragen dieser Art bei seiner Sekretärin brachten mich keinen Schritt weiter. Ein kleiner Blick in sein Büro? Keine Chance. Die Tür war immer verschlossen, was aber keine Rolle spielte. In puncto Sicherheit pflegte Marcus die alten Gewohnheiten aus seiner Zeit bei der Regierung. Wenn er zum Lunch ging oder abends nach Hause fuhr, war sein Schreibtisch blitzblank. Er schloss alle Unterlagen weg und sperrte sogar seine Festplatte in den Safe. Abfall wanderte in den Schredder oder in die Müllverbrennung. Nichts von Belang diskutierte er jemals außerhalb von vier Wänden, weil sonst jemand mithören könnte.
    Ein paar Dinge zum Schutz der eigenen Sicherheit hat er mir selbst beigebracht, zum Beispiel immer die täglichen Abläufe zu ändern. Er erzählte mir die Geschichte eines Oberstleutnants der Marines, der in einem Vorposten in der afghanischen Provinz Helmand stationiert war. Der Bursche nahm nie den gleichen Weg zweimal, was in Kriegsgebieten übliche Praxis ist – außer für eine Sache: Er zog gerne morgens die Flagge auf und holte sie abends wieder ein, jeden Morgen und jeden Abend, wie ein Uhrwerk. Eines Tages bei Morgengrauen erwischte ihn ein Heckenschütze, als er die Flagge gerade halb hochgezogen hatte. Botschaft angekommen. Im beschaulichen Washington DC kommt das etwas durchgeknallt rüber, aber man konnte es bei Marcus beobachten: Auf dem Weg zu heiklen Sitzungen bewegte er sich im Zickzack durch die Stadt, machte lange Umwege und so weiter.
    Nach ein oder zwei Wochen vergeblicher Versuche, das Rätsel zu knacken, war ich ziemlich frustriert. Marcus war so oft außer Haus wie noch nie. Dass er selbst so viel Laufarbeit erledigte und nichts an Penner wie mich delegierte, bewies nur, dass es sich um eine große Sache handelte. Die Stimme von dem angezapften Telefon, das Gerede übers Töten und dass er bereit sei, wenn sie ihn fänden, ging mir nicht aus dem Kopf. Ich war von Anfang an an Rados Fall beteiligt gewesen, ich musste wissen, wie er sich entwickelte – um mein Gewissen zu beruhigen und um mich abzusichern.
    Mir kam die Lösung, als Marcus eines Tages im Pausenraum von einem Fußballspiel seines Sohnes erzählte und sich dann über die Kosten von Privatschulen beklagte. Früher war er vielleicht Spion gewesen, heute war er Gehaltsempfänger und ein gewöhnlicher Vater aus der Vorstadt. Das hieß, ich bekäme vielleicht ein paar nützliche Druckmittel in die Hand, weil man sich auf eins hundertprozentig verlassen konnte: Wo hin er auch ging, was immer er auch tat, er würde sich bis zur letzten Tasse Kaffee jede Auslage erstatten lassen. Wie lautet doch das Motto des Spions in Festanstellung: keine Spuren hinterlassen, aber jede Quittung aufheben.
    Spesen mussten zum Ersten und Fünfzehnten des Monats geltend gemacht werden. Man reichte sie online ein, steckte dann einen Ausdruck der Liste zusammen mit seinen Belegen in einen Umschlag und schickte diesen in die Lohnbuchhaltung ins Erdgeschoss. Allerdings war mir aufgefallen, dass Marcus’ Sekretärin den Umschlag persönlich nach unten brachte. Das machte die Sache etwas komplizierter, ich konnte also den Umschlag nicht einfach aus der Ablage für die hausinterne Post

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