Die 500 (German Edition)
die Facebook-vernarrte Karen Marcus, die Nachrichten postete wie »Schon wieder Zeit für unsere kleine Weinrunde?« oder »Kann es gar nicht erwarten, dich bei der Babyparty am Wochenende zu sehen. xoxoxo«. Die labyrinthischen Datenschutzeinstellungen hatte sie nicht ganz im Griff, was für mich fast so nützlich war wie ein Peilsender an Marcus’ Arsch.
Fast, aber nicht ganz, weshalb ich mich im Gebüsch vor seinem Haus in McLean versteckte und darauf wartete, den Peilsender an Marcus’ Arsch anbringen zu können. Nun ja, genauer gesagt, an der Lenksäule seines Mercedes. Sie waren im Brandywine Valley auf der Babyparty ihrer Nichte. Der Minivan war weg.
Ich bin der Erste, der zugeben würde, dass der Spaß beim Ausspionieren von Leuten durch die Technologie vollkommen flöten gegangen ist, und ich hatte mir ja auch die Hacken abgelaufen und es auf die altmodische, ehrliche Art probiert. In den Wochen, als ich versucht hatte, einen Überblick über Marcus’ geheimnisvolle Lunchtermine zu bekommen, war ich in die Literatur eingestiegen, die einem erklärte, wie man Leu te beschattete. Großartige Lektüre: Reihenobservation, Paral lelobservation, ABC-System. Eines Nachts las ich etwas über die für eine Überwachung am besten geeigneten Autos, als ich plötzlich innehielt und mich fragte, was zum Teufel ich da eigentlich machte.
Die Wahrheit war, dass ich inzwischen sehr an meinem herrlichen neuen Yuppieleben hing. Ich hatte einen Haufen Freunde, eine wunderschöne Freundin und einen Garten mit Feuerstelle und jeder Menge kaltem Bier.
Annie und ich hatten zwar die unmöglichsten Arbeitszeiten, aber wir kamen großartig miteinander aus. Eine Woche nachdem ich Irin über den Weg gelaufen war, musste Annie nach Paris (irgendein Davies-Projekt, über das sie nicht viel rauslie ßen). Ich fragte sie, ob sie ein langes Wochenende anhängen und ich sie drüben treffen könnte (Last-Minute-Atlantiküberquerungen waren eine der vielen Luxusvergnügungen, die mir die Davies Group ermöglichten und an die ich mich hätte gewöhnen können). Obwohl unsere Beziehung immer enger geworden war, hatte ich mir zunehmend Sorgen gemacht, dass es irgendeinen Konflikt, irgendeinen Vorbehalt, irgendeinen verbor genen Grund gab, warum sie so zurückhaltend war. Deshalb hatte ich sie auch noch nicht gebeten, bei mir einzuziehen, oder ihr gesagt, dass ich sie liebte. Letzteres hatte ich mich noch nicht getraut, weil sie mir immer das Gefühl vermittelt hatte, dass die Zeit dafür noch nicht gekommen war. Es war merkwürdig, und ich fragte mich, ob das irgendetwas mit ihrer engen Zusammenarbeit mit Henry oder irgendwelchen Vorbehalten wegen meiner Vergangenheit oder meiner Familie zu tun hatte.
Aber nach Paris fühlte ich mich angekommen, sicher. An unserem letzten Abend in Paris standen wir auf dem Balkon unseres Hotelzimmers. Wir hatten einen klaren Blick über die Tuilerien von La Défense bis nach Notre-Dame. Nachdem wir vier Tage lang kaum aus dem Bett, geschweige denn aus dem Hotel herausgekommen waren und Annie mich mit ziemlich vielen Urlaubsspezialitäten überrascht hatte, war das Ambiente so romantisch, dass sie wahrscheinlich auch zu einer Taube »Ich liebe dich« gesagt hätte. Aber das war mir egal. Sie sagte es. Und ich sagte es auch. Sie gehörte mir. Es war alles wahr geworden.
Vielleicht läuft das so. Vielleicht trieb mich deswegen das Misstrauen meinen Bossen gegenüber dazu, derartige Risiken einzugehen. Man bekommt alles, was man sich wünscht, und plötzlich langweilt man sich und fängt an, alles wieder kaputtzumachen. Aber das wollte ich nicht zulassen. Annie und ich hatten für ein gemeinsames Wochenende in vierzehn Tagen eine Reservierung im Inn in Little Washington. Das ist ein Super-Deluxe-Country-Inn, das beste an der Ostküste, und ich würde das Abendessen und den Urlaubssex nicht deshalb sausen lassen, weil man mich beim Spionspielen gegen Marcus umgelegt hatte.
Vielleicht war ich über eine üble Intrige gestolpert, bei der Menschen in Gefahr waren, vielleicht stellte ich aber auch nur Verbindungen zwischen Dingen her, die gar nichts miteinan der zu tun hatten, und steigerte mich völlig grundlos in irgend was hinein. Es wäre besser gewesen, einfach alles zu vergessen und wieder meine endlosen Arbeitstage bei Davies runter zureißen. Aber immer wenn ich den Fall Rad o / Subjekt 23 ge rade verdrängt hatte, wurde ich wieder daran erinnert. Zum Beispiel, als Tuck, mein engster Freund im Büro,
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