Die 500 (German Edition)
kündigte.
Eines Tages holte ich mir einen Kaffee im Pausenraum. Obwohl, Pausenraum war nicht das richtige Wort für diese Örtlichkeit im ersten Stock. Er war ausgestattet wie ein alter Herrenclub, mit herrlich abgenutzten Ledersofas, kariertem Marmorboden und Essen rund um die Uhr. Tuck trat mit düsterem Gesicht auf mich zu.
»Ich ziehe weiter, Mike«, sagte er. »Neuer Job. Im Außenministerium. Ich wollte dir das nur sagen, bevor du es von jemand anders hörst.«
»Gratuliere«, sagte ich, obwohl ich nicht genau wusste, ob das das richtige Wort war. Im Außenministerium konnte man fünfzehn Jahre lang bürokratische Nullen aus dem Weg räumen und hatte immer noch weniger Einfluss als ein Associate der Davies Group nach fünf Jahren. Allerdings war Tucks Vater der Vizeaußenminister, er würde also auf seinem Weg nach oben etwas Unterstützung bekommen.
»Was ist der Grund?«, fragte ich.
Er ließ seinen Blick über die vertäfelte Decke des Pausenraums schweifen und sagte dann: »Komm, lass uns ein paar Meter gehen.« Ich schaute kurz zu der in die Decke eingelassenen Kamera hoch und folgte ihm dann nach draußen.
Wir gingen an den seltsam gegensätzlichen Anwesen der Embassy Row entlang: eine Beaux-Arts-Villa neben einem Betonkasten neben einem islamischen Komplex mit Minaretten auf dem Dach. Tuck ließ sich über das Dossier aus, an dem er im Außenministerium arbeiten würde, über die großen Möglichkeiten und die traditionelle Rolle seiner Familie im Staatsdienst, aber ich spürte, dass ihn etwas anderes beschäftigte.
»Warum gehst du wirklich?«, unterbrach ich ihn.
Er blieb stehen und schaute mich an. »Ich habe mit meinem Großvater gesprochen.« Er war in den Sechzigern CIA-Direktor gewesen. »Er sagt normalerweise nicht viel, aber er hat mir geraten, vielleicht ein paar andere Sachen auszuprobieren. Die Davies Group sei vielleicht nicht das passende Umfeld für einen Menschen wie mich.«
»Was soll das heißen?«
»Das ist alles, was er gesagt hat. Mein Großvater weiß alles, was in DC vor sich geht, aber er lässt sich nicht in die Karten schauen. Hast du dich eigentlich mal gefragt, wie Davies das anstellt, dass er überall in der Stadt so gut vernetzt ist?«
»Nicht mit Pfadfindermethoden.«
Tuck hob die Augenbrauen. »Vielleicht hat das mein Großvater gemeint. Dein Aufstieg war rasant, Mike. Sei bloß vorsichtig. Täte mir leid, wenn sich rausstellte, dass das alles viel zu schön war, um wahr zu sein.«
Er ging weiter. Sosehr ich mich auch bemühte, ich konnte ihm keine weiteren Informationen entlocken. Unser Spaziergang führte uns in einem großen Kreis um das Büro herum. Als wir auf der Vierundzwanzigsten die Hügelkuppe erreichten, lag unter uns im Rot der untergehenden Sonne die Stadt.
»Wenn es Ärger gibt«, sagte Tuck, »dann erwischt es nie die Jungs an der Spitze.«
Einen Teil von dem, was Tuck mir erzählt hatte, hätte ich unter Neid abhaken können. Schließlich hatte er miterleben müssen, wie ich, ein Außenseiter ohne Familienverbindungen, in der Davies Group höher aufgestiegen war als er. Aber diese Art von Warnung, so vage sie auch war, von einem Mann, der so vernetzt war wie Tucks Großvater, ließ meine Befürchtungen wieder aufleben.
Natürlich wollte ich Irin und Marcus weiter im Auge behalten. Ich hätte es mir nie verziehen, wenn sich meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten – dass näm lich an dem Gerede über Mord auf der Audiodatei etwas dran war. Außerdem bestand die Möglichkeit, falls etwas Furchtbares in der Sache Rad o/ Subjekt 23 passierte, dass ich am Ende als der Schuldige dastehen würde. Ich wollte mich einfach absichern und Marcus deshalb weiter beobachten.
Ich hatte jede Menge Hausaufgaben erledigt bezüglich der Methoden, wie man auf traditionelle Weise Leute beschattete. Bis ich herausfand, dass all diese Methoden überholt waren. Meine umfassende Recherche ergab, dass man für hundertfünfzig Dollar einen kleinen Echtzeit-GPS-Tra cker mit Magnethalterung kaufen konnte. (Nun ja, umfassen de Recherche ist vielleicht etwas übertrieben. Ich saß zwei Stunden auf dem Rollfeld des Reagan National Airports fest und hatte nichts anderes zu lesen als den SkyMall-Katalog.) Hatte man diesen GPS-Tracker am Auto des Objekts befestigt, dann konnte man sich zurücklehnen, einen Kaffee schlürfen und auf Google Maps ohne jedes Risiko dabei zuschauen, wohin die Beute fuhr. Irins Tracker haftete schon fest in einem Kotflügel ihres Porsche,
Weitere Kostenlose Bücher