Die 500 (German Edition)
Berater, der uns in vier Metern Abstand folgte. Amüsante Tatsache am Rande: Senatoren und Abgeordnete des Repräsentantenhauses, also die, die nominell die Geschicke des Lands bestimmen, haben normalerweise keine Ahnung, was vorgeht. Sie schleimen die ganze Zeit um Spenden für ihre Wiederwahl und amtieren auf den jährlichen Volksfesten ihrer Bundesstaaten als Zeremonienmeister von Schweinerennen. Sie tragen ihre Frisur spazieren und verlassen sich auf ihre Parteiführer und eine Heerschar von Beratern – sozial benachteiligte, ehemalige Debattierclub-Nerds –, die ihnen sagen, was sie denken sollen. Ihr Leben ist in Zehn-Minuten-Blöcke eingeteilt, und ein Assistent bugsiert sie wie Hirngeschädigte von Termin zu Termin.
»Kann ich mich darauf verlassen, dass das unter uns bleibt?«, fragte ich.
»Natürlich«, sagte er. Angesichts des Drecks, den ich gegen ihn in der Hand hatte, glaubte ich ihm sogar.
»Gut. Ich wollte Sie fragen, ob Sie ein Mädchen namens Irin Dragov i ´ c kennen?«
Er wiederholte den Namen, legte die Stirn in Falten und dachte nach. »Wenn Sie mir noch einen kleinen Hinweis geben könnten.« Angesichts von Walkers Verschleiß hatte ich damit gerechnet, dass er bei Frauennamen nicht sonderlich sattelfest sein würde. Ich zeigte ihm Irins Facebookfoto: ein ent zückender Schnappschuss, etwa vierzig Prozent Dekolleté, wie sie gerade zu einem Schluck aus einer Flasche Moët & Chandon White Star ansetzte.
»Ja klar«, sagte Walker. »Die kann man kaum vergessen.«
»Was wissen Sie von ihr?«
Er dachte kurz nach. »Die kommt gleich zur Sache. Weiß genau, was sie will. Fährt voll auf die Machtnummer ab. Sie wollte es gleich in meinem Kabuff.« Das sind die kleinen versteckten Büros in den Gängen bei der Senatskammer. »Die hält sich nicht mit Kinderkram auf. Kein romantischer Scheiß, keine Sentimentalitäten. Vollprofi. Und …«
Walker schaute sich um, ob niemand in der Nähe war. Charles war außer Hörweite. Eine Gruppe Nonnen stand etwa fünf Meter entfernt. Als ich merkte, wie verlegen Walker wurde, der normalerweise keine Scheu vor drastischsten Ausdrücken hatte, wurde ich richtiggehend nervös, was für eine Bombe er gleich platzen lassen würde.
Hinter uns blickte die Statue von Daniel Webster finster auf uns herab. Unter dem strengen Blick des großen Interpreten der Verfassung kam ich mir wie ein Halunke vor, als ich die Bettgeschichten aus Walker herauskitzelte.
»Und …«, fragte ich.
»Richtig harte Sachen«, sagte er. »Sie erinnern sich doch noch an diese verrückte Braut, von der ich Ihnen erzählt habe?«
»Nicht genau.« Walker erzählte jede Menge Kriegsgeschich ten, bei denen ich aber in der Regel auf Durchzug stellte. »Im Ritz«, sagte er.
Ich schüttelte den Kopf.
»Also, ich hatte sie auf dieser Party bei Chip kennengelernt. Sie wissen schon, an dem Abend, als wir noch zu meinem Freund rausgefahren sind …«
»Ich erinnere mich«, sagte ich. Wenn man zusammen mit Nutten und Drogendealern eingelocht wird, bleibt das in der Regel haften.
»Sie hat mich allein in der Bibliothek erwischt, die war hinter mir her wie eine läufige Hündin. Wir haben ein paar Tage hin- und hergesimst und uns dann auf einen Schluck im Ritz verabredet. Wir haben ein Zimmer genommen. Sie wissen ja, wie so was läuft, eins kommt zum anderen, und schon sind wir mittendrin. Und dann will sie plötzlich, dass ich ihr den Hintern versohle.
Gentleman, der ich bin, gehorche ich natürlich. Und dann will sie, dass ich ihr ins Gesicht schlage. Sie besteht darauf. Also, das ist wirklich nicht mein Ding, aber ich gebe ihr halt ein paar spielerische Klapse. Und dann stützt sie sich auf die Ellbogen, stoppt die ganze Chose und sagt zu mir, als ob sie mein Basketballtrainer oder so was wär: ›Jetzt pass mal auf, okay? Schlag richtig zu, mitten ins Gesicht.‹«
Walker schaute mich mit einem Ist-das-zu-glauben- Blick an.
»Aber nicht mit mir«, fuhr er fort. »Wer weiß, was die im Schilde führt? Ich balge mich doch nicht mit der rum, und am Ende hat sie dann blaue Flecken und so. Wir haben also weitergemacht, aber da war ich schon gar nicht mehr richtig bei der Sache. Und dann, als ich drauf und dran bin abzuspritzen, lässt sie mich einfach hängen. Sie hat mich richtig am Haken, Mann, ich liege da und bettele sie an wie ein Hund.«
Am Ende von Walkers Geschichte hörte ich, wie jemand laut nach Luft schnappte, was sich ziemlich seltsam anhörte, da niemand in unserer Nähe war.
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