Die 500 (German Edition)
offene Gespräche führt.«
»Ich hab keinen Safe geknackt oder so, aber du hattest recht damit, dass nichts umsonst ist. Ich stecke in der Klemme.«
In seiner Jackentasche klingelte es.
»Scheiße, entschuldige«, sagte er, griff in die Tasche und schaltete es ab. »Mein Weckruf. Ich muss zurück, Zeit für meinen Anruf im Bewährungsbüro.«
Mein Vater hatte sich schnell an die neuen Zeiten gewöhnt.
Auf dem Rückweg kamen wir an dem Schnapsladen mit dem großen Clown vorbei. Wir gingen in seinen Wohnwagen hinter der Tankstelle, wo er sofort im Bewährungsbüro anrief. Als er sich wieder umdrehte, stand ich vor ein paar Bauplänen, die er an die Wand geheftet hatte. Alte, zerknitterte Bogen, die ein Vierzimmerhaus im Craftsman-Stil zeigten und mir verdammt bekannt vorkamen.
Er schaute mich an, während langsam die Erinnerung zurückkehrte. Ich wusste jetzt, wo ich die Pläne schon mal gesehen hatte und warum mir der Clown unheimlich war. Als Kind hatte mich mein Vater zu der Stelle in den Wäldern mitgenommen, wo jetzt sein Wohnwagen stand. Damals hatte es die Tankstelle noch nicht gegeben. Er hatte die Pläne dabeigehabt und mir das Stück Land gezeigt, wo er für mich und Mutter ein Haus bauen wollte. Das war kurz bevor sie ihm die vierundzwanzig Jahre aufgebrummt hatten.
»Du hast das Grundstück an Cartwright verkauft, oder?«
»Ja«, sagte er. »Wir brauchten das Geld.«
»Hat er dich beschissen?«
»Etwa sechzig Prozent vom eigentlichen Wert hab ich bekommen. Ich hatte keine Wahl. Ich musste die Sache regeln, bevor ich in den Knast gewandert bin.«
Der Bursche verkaufte Benzin, wo er sein Traumschlösschen hatte bauen wollen.
»Tut mir leid.«
»Hat keinen Sinn, jetzt noch darüber zu jammern.«
»Ich hab Scheiße gebaut, Dad.«
Er lehnte sich neben mich an die Küchentheke.
»Das ist mein Spezialgebiet«, sagte er.
Mir fiel ein, was Haskins über Henry Davies gesagt hatte: wie gefährlich es sei, etwas über die Leichen in seinem Keller zu wissen. Dass der Richter sich hatte umbringen lassen, bestätigte das nur. Ich wollte niemanden mehr als nötig in diese Geschichte mit hineinziehen, vor allem keinen Mann, der auf Bewährung draußen war und sein Leben in den Griff bekom men wollte. Also erzählte ich meinem Vater eine frisierte Kurz fassung dessen, was passiert war.
»Meine Bosse wollen, dass ich über ein paar Sachen, die sie am Laufen haben, den Mund halte.«
»Üble Sachen?«
Ich nickte.
»Wie übel?«
Ich schaute zu der Zeitung, die auf dem Küchentisch lag. Die Geschichte über den vermissten Richter am Obersten Gerichtshof hatte es inzwischen auf die Titelseite geschafft. Die Zeitungsleute lagen allerdings noch weit zurück. Die Blogger waren schon einen Schritt weiter und ergingen sich in wollüstigen Spekulationen, wussten aber auch noch nichts über die schmutzige Wahrheit.
»Die übelsten. Mehr kann ich dir nicht sagen.«
Er verzog das Gesicht und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
»Rede«, sagte er nach einer Minute. »Spuck’s aus. Alles, hörst du. Das ist die einzige Möglichkeit.«
Wie die meisten Menschen neige ich dazu, mir nur da Rat zu holen, wo ich zu hören bekomme, was ich hören will. Schätze, dass ich deshalb so scharf drauf war, mit meinem Vater zu sprechen, dem Paradebeispiel für jemanden, der das Maul hält. Und dann geht er her und bestärkt mich in meiner lästigen Tu-immer-das-Richtige-Marotte, die ich eigentlich hatte unterdrücken wollen. Meine Ehrlichkeit kam meiner scheinbar ehrbaren Karriere bei Davies allmählich ernsthaft ins Gehege.
Und jetzt das. Wozu ist schlechter Einfluss gut, wenn man schließlich doch den Rat bekommt, das Richtige zu tun?
»Du hast nie geredet«, sagte ich.
»Nein.«
Ich stöhnte genervt.
»Was glaubst du, warum ich die ganzen Jahre meinen Mund gehalten habe?«, fragte er.
»Das weißt du doch selbst«, sagte ich. »Nicht umfallen, seine Freunde schützen. Eine Art Kodex. Ganovenehre.«
»Gott, Mike«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Dafür hätte ich die Trennung von euch Kindern und deiner Mutter nie in Kauf genommen. Genau das wollte ich dir erklären, als wir uns neulich unterhalten haben. Mein größter Fehler war nicht, dass ich ein paar Gaunern aus unserem Viertel vertraut habe, sondern dass ich ehrbaren Männern vertraut habe.«
»Was ist passiert?«
»Das spielt keine Rolle. Es ging letztlich nicht darum, zu reden oder nicht zu reden. Es ging darum, vernünftig zu handeln. Ich bin nicht in
Weitere Kostenlose Bücher