Die 6. Geisel - Thriller
1513 hat den Mann auf dem Foto eindeutig identifiziert. Er sagt, der Verdächtige ist vor ungefähr zwei Monaten vor die Tür gesetzt worden, gleich nachdem er seinen Job verloren hat.«
»Tusch, bitte«, sagte Chi. »Der Name des Todesschützen ist Alfred Brinkley.«
Es war bitter, die Enttäuschung in den Gesichtern von McNeil und Chi zu sehen, aber ich musste es ihnen sagen.
»Danke, Paul. Seinen Namen kennen wir schon. Habt ihr rausgefunden, wo er gearbeitet hat?«
»Klar, Lieu. In dieser Buchhandlung - äh -, Sam’s Book Emporium in der Mason Street.«
Ich wandte mich an Conklin. »Rich, Sie grinsen ja wie ein Honigkuchenpferd. Was haben Sie?«
Conklin hatte seinen Stuhl nach hinten gekippt und das Wortgeplänkel mit sichtlichem Amüsement verfolgt. Jetzt stellte er den Stuhl gerade und beugte sich über den Tisch. »Brinkley ist nicht vorbestraft. Aber er hat zwei Jahre im Presidio gedient. 1994 aus gesundheitlichen Gründen entlassen.«
»Er ist zur Army gegangen, nachdem er in der Klapse war?«, fragte Jacobi.
»Er war noch ein Teenager, als er in Napa State war«, erklärte Conklin. »Seine Krankenakten sind unter Verschluss. Und außerdem dürften die Werber der Army da nicht so wählerisch gewesen sein.«
Das verschwommene Bild des Todesschützen wurde immer schärfer. So erschreckend es war - jetzt hatte ich die Antwort auf die Frage, die mir seit der Schießerei im Hinterkopf herumgespukt hatte.
Brinkley war deshalb ein so sicherer Schütze, weil er eine militärische Ausbildung hatte.
17
Um neun Uhr am nächsten Morgen parkten Jacobi, Conklin und ich unsere zivilen Einsatzwagen an der Mason Street nahe der Ecke North Point. Wir waren zwei Blocks von Fisherman’s Wharf entfernt, einer Touristengegend mit großen Hotels, Restaurants, Fahrradverleihen, Souvenirläden und fliegenden Händlern, die ihre Stände am Straßenrand aufschlugen.
Ich war ganz aufgedreht, als wir in die kühle Weite der riesigen Buchhandlung eintauchten. Jacobi zeigte der erstbesten Verkäuferin seine Dienstmarke und fragte sie, ob sie Alfred Brinkley kenne.
Die Verkäuferin rief den Abteilungsleiter, der mit uns zum Aufzug ging. Wir fuhren mit ihm ins Untergeschoss, wo er uns den Lagerverwalter vorstellte, einen dunkelhäutigen Mann von Mitte dreißig namens Edison Jones, der ein zerschlissenes Duran-Duran-T-Shirt und einen Nasenstecker trug.
Wir verteilten uns im Lagerraum - Betonwände mit verstellbaren Regalen davor, Wellblechtüren, die zur Ladezone führten, und überall Typen, die Rollwagen voller Bücher schoben.
»Fred und ich waren Kumpels«, sagte Jones. »Nicht, dass wir nach Feierabend zusammen was unternommen hätten oder so, doch er war ein helles Bürschchen, und ich mochte ihn. Aber dann wurde er immer komischer.« Jones stellte den Fernseher leise, der auf einem Metalltisch inmitten von Rechnungen und Büromaterial stand.
»Inwiefern ›komisch‹?«, fragte Conklin.
»Er hat manchmal Bemerkungen fallen lassen wie: ›Hast du gehört, was Wolf Blitzer gerade zu mir gesagt hat?‹ Als ob der Moderator im Fernsehen mit ihm persönlich reden würde, verstehen Sie? Und er war oft zappelig und hat vor sich hin gesummt und gesungen. Die Geschäftsführung wurde langsam
argwöhnisch.« Jones strich sich leicht mit der Hand über das T-Shirt. »Und als er dann ein paarmal nicht zur Arbeit erschien, haben sie das gleich zum Anlass genommen, ihn zu feuern. - Ich habe seine Bücher aufgehoben.« Jones ging zu einem Regal, wuchtete einen Karton herunter und stellte ihn auf den Tisch.
Ich schlug die Klappen zurück und erblickte Werke von Jung, Nietzsche und Wilhelm Reich - alles schwere Kost. Und da war auch eine zerfledderte Taschenbuchausgabe von Julian Jaynes’ Der Ursprung des Bewusstseins durch den Zusammenbruch der bikameralen Psyche .
Ich nahm das Taschenbuch aus dem Karton.
»Das war sein Lieblingsbuch«, erklärte Edison. »Wundert mich, dass er es nie abgeholt hat.«
»Worum geht es da?«
»Laut Fred vertritt dieser Jaynes die Theorie, dass bis vor rund dreitausend Jahren die beiden Hälften des menschlichen Gehirns noch nicht miteinander verbunden waren«, sagte Jones. »Es gab also keine direkte Kommunikation zwischen linker und rechter Hälfte.«
»Und das bedeutet?«, fragte Jacobi.
»Jaynes sagt, damals hätten die Menschen geglaubt, ihre Gedanken kämen von irgendwo außerhalb ihres Körpers - dass es sich dabei in Wirklichkeit um Befehle der Götter handelte.«
»Und Brinkley hat
Weitere Kostenlose Bücher