Die 6. Geisel - Thriller
Speisekarten und diversen anderen Erinnerungsstücken zu kramen. Seine Hände flogen nur so über die Papiere.
»Hier«, sagte er und fischte ein verblasstes Foto im Format 13x19 heraus. »Ich glaube, das wurde so um achtundachtzig rum aufgenommen.«
Fünf Teenager - zwei Mädchen und drei Jungen - saßen in einer Art Gemeinschaftsraum und sahen fern.
»Das bin ich«, sagte Quintana und zeigte auf eine jüngere Version von sich selbst, die sich in einem orangefarbenen Sessel fläzte. Schon damals hatte er seine Kleider in Schichten übereinander angezogen.
»Und sehen Sie den Typ, der da am Fenster sitzt?«
Ich betrachtete das Foto genauer. Der Junge war dünn, hatte lange Haare und einen Bartansatz. Sein Gesicht war im Profil aufgenommen. Es hätte der Schütze sein können. Es hätte auch irgendjemand anders sein können.
»Sehen Sie, wie er an den Haaren an seinem Arm zupft?«, fragte Quintana.
Ich nickte.
»Deswegen habe ich gedacht, er könnte es sein. Das hat er immer stundenlang gemacht. Ich hab den Typ total gemocht. Hab ihn Fred-a-lito-lindo genannt. Wegen dem Lied, das er immer gesungen hat.«
»Wie heißt er richtig?«, fragte ich.
»Er war sehr depressiv«, sagte Quintana. »Deswegen ist er nach Napa gekommen. Hat sich einweisen lassen, wissen Sie? Da war dieser Unfall. Seine kleine Schwester ist gestorben. Irgendwas mit einem Segelboot, glaube ich.«
Quintana schaltete den Herd aus und ging weg. Mir schoss der Gedanke durch den Kopf: Welchem Wunder haben wir es zu verdanken, dass dieses Haus noch nicht abgebrannt ist?
»Mr. Quintana, zwingen Sie uns nicht, die Frage noch einmal zu stellen, okay?«, knurrte Jacobi. »Wie heißt der Mann?«
Quintana kam mit seiner angestoßenen Kaffeetasse in der Hand zum Tisch zurück. Mit seinem Hamsterer-Outfit strahlte er das Selbstbewusstsein eines Mannes aus, dem es an nichts mangelt.
»Sein Name ist Fred. Alfred Brinkley. Aber ich kann nicht glauben, dass er diese ganzen Leute getötet haben soll«, sagte Quintana. »Fred ist der netteste Kerl, den man sich vorstellen kann.«
16
Ich rief Conklin vom Wagen aus an, während ich mit Jacobi zurück zur Bryant Street fuhr, und gab ihm Brinkleys Namen durch, damit er ihn in die NCIC-Datenbank zur Kontrolle eingeben konnte.
Chi und McNeil warteten schon vor MacBain’s Beers O’ the World Pub auf uns, einer schummrigen Kneipe, eingezwängt zwischen zwei Kautionsbüros gegenüber dem Justizgebäude.
Jacobi und ich gingen mit den beiden hinein. Wir bestellten Foster’s vom Fass, und ich bat Chi und McNeil um einen Lagebericht.
»Wir haben einen Kerl im Tabakladen an der Polk Ecke Vallejo vernommen«, legte Chi los. »Der alte Knacker, dem der Laden gehört, sagt: ›Ja, ich verkaufe Turkish Specials. So zwei Schachteln im Monat, an einen Stammkunden.‹ Er holt die Stange aus dem Regal, um sie uns zu zeigen - es fehlen genau zwei Schachteln.«
Conklin kam herein, setzte sich zu uns und bestellte ein Dos Equis und einen Angus-Burger, leicht angebraten.
Er sah aus, als wollte er etwas loswerden.
»Eine Stange Zigaretten - so was findet mein Partner aufregend«, meinte Cappy.
»Findest dich wohl besonders witzig, was?«, gab Chi zurück.
»Kommt zur Sache, Leute«, brummte Jacobi.
Das Bier kam, und Jacobi, Conklin und ich stießen auf Don MacBain an, den Inhaber des Lokals, einen eigenwilligen Ex-Captain des SFPD, dessen gerahmtes Porträt über der Bar hing.
Chi fuhr fort: »Also, der Alte sagt, dass dieser Stammkunde ein Grieche ist, ungefähr achtzig Jahre alt - aber dann meint er: ›Warten Sie mal. Kann ich das Bild noch mal sehen?‹«
Cappy nahm den Faden auf. »Ich halte ihm also das Foto des Schützen unter die Nase, und er sagt: › Der Typ? Den hab ich immer morgens gesehen, wenn er sich seine Zeitung gekauft hat. Ist das der Kerl, der auf der Fähre rumgeballert hat?‹«
Jacobi rief die Bedienung noch einmal her und sagte: »Syd, ich krieg auch einen Burger, medium, bitte, und dazu Pommes.«
Chi redete einfach weiter. »Also, der Alte vom Tabakladen sagt, den Namen unseres Verdächtigen kennt er nicht, aber er glaubt, dass er vis-à-vis gewohnt hat, Nummer 1513 Vallejo.«
»Also, wir gleich hin und…«
»Bitte, spannt mich doch nicht so auf die Folter«, sagte Jacobi. Er hatte die Ellbogen auf den Tisch gestützt und rieb sich mit den Handballen die Augen, während er auf die Pointe der Geschichte wartete.
»Und wir haben einen Namen«, schloss Cappy. »Der Hausverwalter von
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