Die 6. Geisel - Thriller
wie lange kennen Sie sie schon?«
»Ich habe angefangen, kurz bevor die Renfrews von Boston hierhergezogen sind, das war vor etwa acht Monaten. Die Firma schreibt noch keine schwarzen Zahlen«, fuhr sie fort. »Jetzt, da Paola tot ist und Madison Tyler … verschwunden … Das ist keine besonders gute Publicity, nicht wahr?«
Mary Jordans Augen füllten sich mit Tränen. Sie zog ein pink-farbenes Papiertaschentuch aus einer Box auf ihrem Schreibtisch und trocknete sich das Gesicht.
»Ms. Jordan«, sagte ich und beugte mich über den Tisch, »irgendetwas bedrückt Sie doch. Was ist es?«
»Nein, wirklich, es geht mir gut.«
»Ach, erzählen Sie mir doch nichts.«
»Es ist nur, weil ich Paola wirklich gemocht habe. Und ich bin es gewesen, die sie an die Tylers vermittelt hat. Das war ich . Wenn ich das nicht getan hätte, wäre Paola jetzt noch am Leben!«
59
»Die Renfrews haben hier unten eine Wohnung«, erklärte Ms. Jordan, als sie uns durch das Verwaltungsgeschoss führte. Sie deutete auf eine grün gestrichene Tür am Ende eines Flurs, die mit einem Vorhängeschloss gesichert war.
»Wozu das Schloss?«, fragte ich.
»Sie schließen nur ab, wenn sie beide nicht da sind«, antwortete Ms. Jordan. »Das ist auch gut so - auf diese Weise muss ich mir keine Sorgen machen, dass die Mädchen in Sachen herumschnüffeln, die sie nichts angehen.«
Über uns waren polternde Schritte zu hören.
»Der Gemeinschaftsraum ist da drüben«, sagte Ms. Jordan, als wir die Tour fortsetzten. »Zu Ihrer Rechten sehen Sie das Besprechungszimmer, und der Schlafsaal ist dort oben«, fügte sie hinzu und blickte zu einer Holztreppe hinauf.
»Die Mädchen wohnen hier, bis wir sie an eine Familie vermitteln. Ich habe da oben auch mein Zimmer.«
»Wie viele Mädchen sind im Moment hier?«, fragte ich.
»Vier. Wenn Laura von ihrer Tour zurück ist, bekommen wir wahrscheinlich noch vier dazu.«
Den Rest des Vormittags verbrachten Conklin und ich damit, die jungen Frauen zu befragen, die eine nach der anderen nach unten ins Besprechungszimmer kamen. Sie waren zwischen achtzehn und zweiundzwanzig Jahre alt, kamen alle aus Europa und sprachen gutes bis exzellentes Englisch.
Keine hatte irgendeine Idee oder einen Verdacht, und keine äußerte sich irgendwie negativ über die Renfrews oder über Paola Ricci.
»Als Paola noch hier war, hat sie jeden Abend auf den Knien gebetet«, betonte ein Mädchen namens Luisa. »Sie war noch Jungfrau!«
Dann saßen wir wieder in Ms. Jordans Büro. Die Assistentin der Renfrews hob nur hilflos die Hände, als wir sie fragten, ob sie irgendeine Ahnung habe, wer Paola und Madison gekidnappt haben könnte. Als das Telefon klingelte und sie den Hörer abhob, fragte Conklin mich: »Soll ich das Vorhängeschloss knacken?«
»Bist du scharf auf eine neue Karriere bei der Putzkolonne?«
»Könnte sich lohnen.«
»Träum nur weiter«, erwiderte ich. »Selbst wenn wir einen berechtigten Verdacht hätten - Madison Tyler ist nicht da drin. Das hätte die Herbergsmutter längst rausgerückt.«
Wir hatten uns schon verabschiedet und gingen die Vortreppe hinunter, als wir Mary Jordan hinter uns rufen hörten. Sie holte uns ein und fasste Conklin am Arm.
»Ich habe mit mir gerungen. Es könnte nur ein Gerücht sein oder schlicht und einfach gelogen, und ich will niemandem Ärger bereiten«, sagte sie.
»Darüber dürfen Sie sich keine Gedanken machen, Mary«, erwiderte Conklin. »Was immer Sie zu wissen glauben, Sie müssen uns alles sagen.«
»Ich hatte gerade bei den Renfrews angefangen«, sagte Ms. Jordan. Ihr Blick zuckte zur Haustür und dann zurück zu Conklin.
»Eines von den Mädchen hat mir etwas erzählt - unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Sie sagte mir, ein von der Agentur vermitteltes Kindermädchen hätte ihre Arbeitgeber von einem Tag auf den anderen verlassen. Und ich rede hier nicht von schlechten Manieren - die Renfrews hatten ihren Pass. Ohne den konnte sie keinen neuen Job bekommen.«
»Wurde das Mädchen bei der Polizei als vermisst gemeldet?«
»Ich glaube, ja. Ich weiß nur das, was mir erzählt wurde. Und mir wurde erzählt, dass Helga Schmidt verschwunden und nie wieder aufgetaucht sei.«
60
Bei der Mieterversammlung war die Stimmung schon extrem aufgeheizt, als Cindy dort eintraf. Vielleicht zweihundert Menschen drängten sich in der Eingangshalle. Die Vorsitzende des Mieterbeirats, Fern Galperin, eine zierliche, hübsche Frau mit Nickelbrille, deren Kopf über der
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