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Die 6. Geisel - Thriller

Titel: Die 6. Geisel - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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über neunzig Kilo schwer, und eigentlich war er für seine freundliche und umgängliche Art bekannt. Aber in diesem Moment verschossen seine dunklen Augen grimmige Blitze, und er hämmerte mit der Faust auf den Konferenztisch, dass die Teller mit den Resten des chinesischen Essens hüpften.
    Die fünf neuen stellvertretenden Staatsanwälte starrten ihn erschrocken an, mit Ausnahme von David Hale, der so unklug gewesen war, den Brinkley-Prozess als »Spaziergang« zu bezeichnen.
    » Es gibt in unserem Beruf keine ›Spaziergänge‹! «, donnerte er. » Der Prozess gegen O. J. Simpson hätte auch ein ›Spaziergang‹ werden sollen! «
    »Robert Durst«, warf Yuki ein.
    » Genau! «, rief Parisi und blickte triumphierend in die Runde. »Durst hatte gestanden , seinen Nachbarn getötet, in ein Dutzend Teile zerlegt und im Meer versenkt zu haben - und trotzdem wurde er von einem Geschworenengericht ›nicht schuldig‹ gesprochen.
    Und das ist die Herausforderung, vor der wir bei Brinkley stehen, David. Wir haben ein aufgezeichnetes Geständnis und mehr Zeugen, als wir zählen können. Das Verbrechen selbst wurde gefilmt. Und trotzdem ist es kein Spaziergang.«
    »Aber Leonard«, wandte Hale ein, »diese Aufnahmen des Verbrechens zeigen den Mörder auf frischer Tat . Das ist als Beweis zulässig und unstrittig.«
    Parisi grinste. »Sie lassen einfach nicht locker, David, wie? Sehr löblich. - Sie sind doch alle mit dem Fall Rodney King vertraut, oder?« Parisi lockerte seine Krawatte. »Rodney King,
ein auf Bewährung entlassener Schwarzer, weigerte sich, seinen Wagen zu verlassen, als er wegen Geschwindigkeitsüberschreitung angehalten wurde. Er wurde aus dem Auto gezerrt und von vier weißen Polizisten sechsundfünfzigmal geschlagen - eine brutale, blutige Attacke, komplett auf Video festgehalten. Es kam zum Prozess. Die Polizisten wurden freigesprochen , und das war der Beginn der Rassenunruhen in L. A. 1992.
    Das Video machte den Prozess also nicht zu einem Spaziergang. Und der Grund ist vielleicht folgender: Wenn Sie das Rodney-King-Video zum ersten Mal sehen, sind Sie entsetzt. Beim zweiten Mal sind Sie empört. Aber wenn Sie es dann zum zwanzigsten Mal sehen, ist ihr Gehirn mit jedem kleinsten Detail der Szene vertraut. Sie werden sie nicht so schnell vergessen, gewiss, aber die Schockwirkung ist verflogen.
    Jeder Amerikaner, der einen Fernseher besitzt, hat Jack Rooneys Video von Alfred Brinkleys Amoklauf immer wieder gesehen. Es hat inzwischen seine Schockwirkung völlig eingebüßt. Verstehen Sie?
    Nichtsdestoweniger ist das Video sehr wohl ein Beweis. Wir sollten diesen Prozess gewinnen. Und wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um für Alfred Brinkley die Todesstrafe zu erwirken.
    Aber mit Barbara Blanco haben wir eine intelligente und hartnäckige Verteidigerin gegen uns«, fuhr Parisi fort, während er sich auf seinem Stuhl zurücklehnte. »Und sie übernimmt diesen miesen Pflichtverteidiger-Job nicht des Geldes wegen. Sie glaubt an ihren Mandanten, und das werden die Geschworenen spüren.
    Wir müssen auf alles vorbereitet sein. Und damit will ich meine heutige Lektion beschließen.«
    Respektvolles Schweigen legte sich über den Besprechungsraum. Len Parisi war hier unbestritten der Boss.
    »Yuki, haben wir noch irgendetwas anzusprechen vergessen?«
    »Ich glaube, wir haben alles abgedeckt.«

    »Haben Sie ein gutes Gefühl?«
    »Ein fantastisches, Len. Ich bin bereit. Ich kann es kaum erwarten.«
    »Sicher. Sie sind achtundzwanzig. Aber ich brauche meinen Schönheitsschlaf. Wir sehen uns morgen früh hier um halb acht. Alle anderen bitte ich noch um ein wenig Aufmerksamkeit. Morgen Abend halten wir dann eine Manöverkritik ab.«
    Yuki wünschte ihren Kollegen eine gute Nacht und verließ den Raum. Sie platzte vor Tatendrang und schätzte sich glücklich, morgen früh an Leonard Parisis Seite die Staatsanwaltschaft vertreten zu dürfen.
    Und trotz Parisis warnender Worte war Yuki voller Zuversicht. Brinkley war nicht O. J. oder Robert Durst. Er war kein Superstar, kein Medienliebling. Noch vor wenigen Wochen hatte er auf der Straße geschlafen, mit einer geladenen Schusswaffe in der Tasche. Er hatte vier wildfremde Menschen erschossen.
    Undenkbar, dass ein Geschworenengericht diesen Irren wieder auf die Straßen von San Francisco entlassen würde. Oder?

Vierter Teil
    Das Volk gegen Alfred Brinkley

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    Yuki legte ihre Aktenmappe neben die von Leonard auf den Tisch vor dem Eingang zu

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