Die 6. Geisel - Thriller
flach, und das strohblonde Haar fiel mir in Wellen über die Schultern.
Warum hatte Joe mich nicht angerufen?
Ich hüllte mich in einen weißen Hotel-Bademantel, ging ins Schlafzimmer und hörte die Mailbox meines Handys ab, die ebenso leer war wie der unerbittliche Anrufbeantworter in meiner Wohnung.
Es war sechs Tage her, dass ich Joe zuletzt gesehen hatte.
War es wirklich endgültig aus zwischen uns?
Würde ich ihn nie wiedersehen? Warum hatte er sich nicht gemeldet?
Ich zog die Vorhänge zu, schlug die gesteppte Tagesdecke zurück und schüttelte die Kissen auf. Benommen vom Wein und der heißen Dusche, legte ich mich ins Bett.
Als ich die Augen schloss, stellte ich fest, dass die verblassenden Bilder von Joe durch neue Fantasien verdrängt wurden, die mir mächtig zusetzten.
Es zog mich in Gedanken zurück zu dem Moment vor gerade einmal einer halben Stunde, als Rich mich im Arm gehalten hatte. Ich durchlebte noch einmal den Augenblick auf der
Tanzfläche, als aus dem guten Gefühl ein allzu gutes geworden war, als ich seine Leidenschaft gespürt hatte, als ich die Arme um seinen Nacken geschlungen und meinen Körper an seinen gepresst hatte.
Es ist okay, solche Gefühle zu haben, sagte ich mir. Ich bin auch nur ein Mensch, genau wie er, und wir reagierten vollkommen normal auf die Tatsache, dass wir plötzlich miteinander allein waren …
Ein leises Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken.
Mein Herz machte einen Satz, als das Klopfen sich wiederholte.
85
Ich band den Gürtel meines Bademantels zu und tappte barfuß zur Tür. Durch den Spion erblickte ich Rich Conklin - und er hatte eine hauchdünne Duschhaube aus transparentem Plastik auf dem Kopf!
Lachend schob ich den Riegel zurück, aber meine Hand zitterte, als ich die Tür aufzog. Conklin trug seine Hose und sein blaues Baumwollhemd, das ungefähr bis zur Mitte seiner Brust aufgeknöpft war. Und in der Hand hielt er eine Marriott-Zahnbürste wie eine kleine weiße Flagge.
»Ich wollte dich fragen, ob du ein bisschen Mundwasser für mich hast, Lindsay. Ich habe jede Menge Feuchtigkeitscremes in meinem Körbchen mit den Gratis-Toilettensachen, aber kein Mundwasser.«
Seine ernste Miene, kombiniert mit der absurden Bitte und seinem Aufzug mit der Duschhaube, war einfach zu komisch. Ich riss die Tür weit auf und sagte: »Bei mir ist auch kein Mundwasser drin, aber ich glaube, ich habe was in meiner Handtasche.«
Die Tür ging hinter mir zu, und als ich mich nach der Handtasche bückte, die ich einfach auf den Boden geworfen hatte, stolperte ich über einen meiner Schuhe.
Rich packte meinen Ellbogen, um mich zu stützen - und dann standen wir da. Auge in Auge. Beschwipst. Allein in einem Hotelzimmer in L. A. Ich streckte die Hand aus und zog ihm die Duschhaube vom Kopf. Eine Locke seines hellbraunen Haars fiel über sein hinreißendes Gesicht, und er ließ die Zahnbürste auf den Boden fallen. Dann schlang Rich die Arme um meine Taille und zog mich an sich.
»Ich habe nur ein Problem damit, dass wir jetzt Partner sind«, sagte er. »Aber das ist ein ganz gewaltiges .«
Rich beugte sich herab, um mich zu küssen, und ich konnte
es kaum erwarten. Wieder schlang ich die Arme um seinen Hals, und seine Lippen fanden meine. Unser erster Kuss löste ein hormonelles Gewitter aus.
Ich klammerte mich an Rich, als er mich in dem halbdunklen Zimmer aufs Bett herabsenkte. Ich weiß noch, wie ich unter ihm lag, wie unsere Finger sich ineinander verschränkten, als seine Hände meine auf die Matratze drückten und er ganz leise und zärtlich meinen Namen hauchte.
»Ich wollte dir schon immer so nahe sein, Lindsay, noch bevor du überhaupt meinen Namen kanntest.«
»Ich habe deinen Namen immer schon gekannt.«
Ich verzehrte mich nach ihm, und ich hatte jedes Recht, mich dieser Sache hinzugeben. Doch als mein junger, gut aussehender Partner meinen Bademantel zurückschlug und mit seinen Lippen meine Brust berührte, durchzuckte mich die schiere Panik wie ein Blitz, und mein Verstand zog im letzten Moment die Notbremse.
Das war eine schlechte Idee gewesen. Eine ganz schlechte Idee.
Ich hörte mich flüstern: » Rich, nein .«
Ich raffte meinen Bademantel zusammen, während Rich sich auf die Seite rollte, keuchend und mit gerötetem Gesicht. Er sah mir in die Augen.
»Es tut mir leid«, sagte er.
»Nein, das muss es nicht.« Ich nahm seine Hand und hielt sie an meine Wange, bedeckte seine Hand mit meiner. »Ich will es genauso sehr wie du.
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