Die 6. Geisel - Thriller
Register auf.«
Ich rief im Büro der Staatsanwaltschaft an und ließ mir Kathy Valoy geben. Nachdem ich ihr gesagt hatte, worum es ging, versprach sie, in einer Minute unten zu sein.
Valoy, ihres Zeichens stellvertretende Bezirksstaatsanwältin, gehörte zu den Leuten, die auch eine Minute meinen , wenn sie »eine Minute« sagen. Sie kam zu uns in die Teeküche, und ich stellte ihr Mary Jordan vor.
»Haben Sergeant Boxer oder Inspector Conklin Sie aufgefordert, dieses Material zu beschaffen?«, fragte die stellvertretende Staatsanwältin.
»Nein, natürlich nicht.«
»Falls Sie von irgendjemandem aufgefordert wurden, dieses Material zu besorgen«, erklärte Valoy, »dann handeln Sie im Auftrag der Polizei, und wir müssten das Buch, aus dem diese Kopie stammt, bei einem künftigen Prozess als Beweismittel ausschließen.«
»Ich habe das alles aus freien Stücken getan«, versicherte Jordan ihr. »So wahr mir Gott helfe.«
Valoy lächelte und sagte: »Lindsay, wir müssen unbedingt
mal zusammen zum Mittagessen gehen.« Sie drohte mir scherzhaft mit dem Finger und verließ die Teeküche.
Ich fragte Mary, ob ich das Papier sehen könne, und sie reichte mir eine Tabelle, deren Spalten mit VERMITTLUNGEN, KUNDEN und GEBÜHREN überschrieben waren. Alle Einträge datierten aus dem laufenden Kalenderjahr.
Die Liste der Vermittlungen bestand aus Frauennamen, die meisten davon ausländisch. Den Namen der Kunden war in der Regel ein »Mr.« oder »Mrs.« vorangestellt, und die Gebühren bewegten sich im unteren fünfstelligen Bereich.
»Und alle diese Mädchen wurden dieses Jahr an die aufgeführten Familien vermittelt?«, fragte ich.
Mary nickte und sagte: »Sie erinnern sich doch, wie ich Ihnen erzählte, dass ein Mädchen namens Helga Schmidt vor ungefähr acht Monaten spurlos verschwunden sei, als die Agentur noch in Boston war?«
»Ich erinnere mich.«
»Also, ich habe ihren Namen im Register nachgeschlagen. Da ist sie.« Sie tippte mit dem Zeigefinger auf das Blatt. »Und da sind auch die Namen der Leute, bei denen sie beschäftigt war. Penelope und William Whitten.«
»Reden Sie weiter«, forderte Conklin sie auf.
»Aus den Unterlagen geht hervor, dass die Whittens eine Tochter namens Erica haben. Sie ist ein mathematisches Wunderkind, löst mit vier Jahren schon Rechenaufgaben für Grundschüler. Ich habe im Internet über die Whittens recherchiert und dieses Interview aus dem Boston Globe gefunden.«
Mary Jordan zog ein zweites Blatt aus der Handtasche, den Ausdruck eines Zeitungsartikels, den sie so auf den Tisch legte, dass wir ihn lesen konnten. Gleichzeitig gab sie uns eine Zusammenfassung des Inhalts.
»Dieser Artikel erschien letzten Mai auf den Lifestyle-Seiten. Mr. Whitten ist Weinkritiker, und er wurde zusammen mit seiner Frau zu Hause interviewt. Und hier«, Jordan zeigte auf einen Absatz gegen Ende des Artikels, »erzählen Mr. und Mrs.
Whitten der Reporterin, dass ihre Tochter derzeit bei Mrs. Whittens Schwester in England lebt, wo sie Privatunterricht erhält.
Und das kam mir nun wirklich sehr, sehr merkwürdig vor«, fuhr Jordan fort. »Unglaublich eigentlich. Ich meine, die Whittens engagieren ein Kindermädchen; das Kindermädchen verschwindet von einem Tag auf den anderen, und die Whittens schicken ihr Tochter nach Europa? Erica ist erst vier! Die Whittens können sich hier in den USA die besten Privatlehrer und Erzieherinnen leisten. Warum sollten sie ihre kleine Tochter wegschicken?«
Rich und ich tauschten Blicke, während Mary Jordan fortfuhr.
»Vielleicht hätte ich mir nichts weiter dabei gedacht, wenn da nicht der Mord an Paola und Maddys Entführung gewesen wären«, sagte sie. »Ich glaube einfach nicht, dass Erica Whitten in England lebt. Halten Sie mich jetzt für verrückt?«
»Wissen Sie, wofür ich Sie halte, Mary?«, erwiderte ich. »Ich halte Sie für ein kriminalistisches Naturtalent.«
88
Auf dem Stuhl neben mir wurde Jacobi von einem Hustenanfall geschüttelt. Die Luft war blau vom Rauch von Tracchios stinkender Zigarre, und in der Freisprechanlage des Telefons auf seinem Schreibtisch knackte es.
Der Apparat war mit der Wohnung der Whittens in Boston verbunden, wo sich nun FBI-Agent Dave Stanford meldete.
»Die Whittens sind offensichtlich mit den Nerven am Ende«, sagte er, »aber es ist mir gelungen, sie zum Reden zu bringen. Ihre jüngste Tochter Erica wurde vor acht Monaten zusammen mit ihrem Kindermädchen Helga Schmidt entführt.«
War sie das? War
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