Die 6. Geisel - Thriller
diesem langen Tag konnte ich mich ein wenig entspannen. Ich war froh um die Gesellschaft und die Gelegenheit zu einem Brainstorming, während die Liveband in der Lounge im Hintergrund Country & Western spielte.
Und ich registrierte auch immer bewusster Conklins lange Beine neben meinen unter dem Tisch, den Ärmel seiner braunen Wildlederjacke, der immer wieder meinen Arm streifte, und den inzwischen vertrauten Tonfall seiner Stimme. Der Wein war angenehm süffig, und ich merkte gar nicht, wie die Zeit verging.
Gegen Viertel nach neun ließ Stanford sich die Rechnung bringen. Er versprach uns, uns Bescheid zu sagen, sobald sie die Verbindungsdaten vom Anschluss der Rays hatten, und uns alles zu melden, was uns im Fall Ricci-Tyler weiterhelfen könnte.
Wir hatten auch den nächsten Flug nach San Francisco verpasst, und als Rich und ich uns von Stanford verabschiedeten,
machten wir uns darauf gefasst, noch einmal eine Stunde am Gate von United Airlines warten zu müssen.
Wir waren schon fast zur Tür hinaus, als die Band die ersten Takte eines Kenny-Chesney-Songs spielte und die Sängerin die Gäste zu einem Tanz aufforderte. Das Publikum in der Bar setzte sich aus jungen Geschäftsreisenden und Airline-Mitarbeitern zusammen, die alle schon ein wenig angeheitert waren und sich nun voller Begeisterung auf die Tanzfläche begaben.
Rich grinste und fragte: »Lust, ein bisschen albern rumzuhampeln?« Ich erwiderte sein Grinsen und sagte: »Klar. Warum eigentlich nicht?«
Ich folgte Rich auf die Tanzfläche, wo wir uns blendend amüsierten, im Takt der Musik herumwirbelten, bis uns schwindlig war, mit wildfremden Leuten kollidierten und - was das Allerbeste war - viel lachten.
Es war eine ganze Weile her, dass ich mir zuletzt vor Lachen den Bauch gehalten hatte, und ich hatte ganz vergessen, wie gut das tat.
Als der Song zu Ende war, nahm die Lady mit der Samtstimme ihr Mikro vom Ständer, fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen und sang mit dem Typen am E-Piano im Duett »Lyin’ Eyes«.
Die Paare fanden sich, und als Rich die Arme ausbreitete, schmiegte ich mich an seine Brust. Gott, es war einfach so ein wahnsinnig gutes Gefühl, Rich Conklins Arme um mich zu spüren.
Der Raum drehte sich ein bisschen, und so schloss ich die Augen und hielt mich an Rich fest. Immer näher rückten wir zusammen - es war einfach so wenig Platz auf der kleinen Tanzfläche. Ich stellte mich sogar auf die Zehenspitzen, um den Kopf auf seine Schulter legen zu können - und er hielt mich noch fester.
Als die Musik aufhörte, sagte Rich: »Mensch, ich hab überhaupt keine Lust, jetzt zum Flughafen zu latschen, du vielleicht?«
Ich weiß noch, dass ich antwortete, man könne durchaus argumentieren, dass wir zu dieser vorgerückten Stunde, nach einem langen Arbeitstag und, wie man zugeben musste, dem einen oder anderen Glas Wein, durchaus nachvollziehbare Gründe hätten, die Nacht auf Spesen in L. A. zu verbringen.
Und doch war ich hin- und hergerissen, als ich dem Empfangschef des Marriott meine Kreditkarte reichte. Ich redete mir ein, das alles habe gar nichts zu bedeuten. Ich würde nichts weiter tun als auf mein Zimmer gehen und schlafen. Das war alles .
Im Aufzug standen Rich und ich in verschiedenen Ecken, zwischen uns ein müdes Paar, während die verspiegelte Kabine lautlos in den zehnten Stock hinaufschwebte. Ich wollte es mir ungern eingestehen, aber ich sehnte mich nach seiner Umarmung.
Als wir aus dem Aufzug stiegen, sagte ich: »Gute Nacht, Rich.« Dann kehrte ich ihm den Rücken zu und schob meine Schlüsselkarte in den Schlitz. Ich wusste, dass er in diesem Moment an einer Tür auf der anderen Seite des Flurs das Gleiche tat.
»Dann bis morgen früh, Lindsay.«
»Alles klar. Schlaf gut, Rich.«
Das kleine grüne Licht leuchtete auf, und die Türklinke gab unter meiner Hand nach.
84
Ich schloss die Zimmertür hinter mir und schob den Riegel vor. Mir schwirrte der Kopf von einem heillosen Chaos widerstreitender Gefühle: Sehnsucht und Verlangen, Erleichterung und Bedauern. Ich zog mich aus, und eine Minute später pochte das Blut in meinen Schläfen, als ich unter dem heißen Strahl der Dusche stand.
Quietschsauber und rosig glühend rubbelte ich mich mit warmen Frotteehandtüchern ab und föhnte mir die Haare. Mit dem Handtuch wischte ich den beschlagenen Spiegel frei und beäugte kritisch meine nackte Erscheinung. Ich sah immer noch gut aus, jung und begehrenswert. Meine Brüste waren fest, mein Bauch
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