Die 6. Geisel - Thriller
hatte einen Schlüssel. «
»Wer hat den Vorfall gemeldet?«
»Die Nachbarin in 6F. Virginia Howsam. H-O-W-S-A-M.« Conklin und ich betraten die spärlich möblierte Wohnung. Der Kopf des Opfers lag in einer Blutlache, einer dunklen Pfütze auf dem polierten Eichenparkett.
Der Mann war Afroamerikaner, Anfang dreißig, durchtrainiert, bekleidet mit Shorts, einem dünnen grauen T-Shirt und Laufschuhen. Er lag auf der Seite neben einem Laufband.
Ich beugte mich herab, um besser sehen zu können. Er hatte die Augen geschlossen, und sein Atem ging schwer - aber er lebte noch.
Schon kamen die Sanitäter hereingepoltert, drängten sich um das Opfer, zählten »Eins, zwei, drei« und hoben ihn auf die Trage.
Der Sanitäter, der am nächsten zu mir stand, sagte: »Er ist bewusstlos. Wir bringen ihn ins San Francisco General. Würden Sie bitte zur Seite treten, Sergeant? Danke.«
Sie fuhren schon mit heulenden Sirenen die Townsend hinauf,
als Charlie Clapper und zwei Leute von seinem Spurensicherungsteam Wyatts Wohnung betraten und auf das Laufband zusteuerten.
»Das Kabel von dem Ding wurde durchschnitten«, stellte Clapper fest und zeigte mir die sauberen Schnittflächen, die von einem scharfen Messer herzurühren schienen. »Haben Sie das Opfer gesehen?«, fragte er mich.
»Ja. Er lebt, Charlie. Noch jedenfalls. Sieht aus, als hätte der Täter ihm von hinten eins übergebraten.«
Wie im Fall von Irene Wolkowski war der Gegenstand, mit dem Ben Wyatt der Schädel eingeschlagen worden war, vom Tatort entfernt worden. Und eine weitere Ähnlichkeit bestand darin, dass sonst kaum etwas auf die Anwesenheit eines Eindringlings hinwies.
Zweifellos gab es einen Zusammenhang zwischen den Überfällen, die die Bewohner des Blakely Arms inzwischen schon fast täglich in Angst und Schrecken versetzten.
Was war das für ein Zusammenhang? Was ging hier eigentlich vor?
90
Ben Wyatts Flurnachbarin Virginia Howsam war eine Frau von Ende zwanzig, die abends in einem Club arbeitete. Sie sagte uns, dass Wyatt Tageshändler an der Börse sei, ein wirklich netter Kerl, dem kein vernünftiger Mensch etwas Böses wollen könne.
Wir dankten Ms. Howsam für ihre Hilfe und gingen über die Feuertreppe nach unten, in der Hoffnung, dass die Leute in der Wohnung unter der von Wyatt vielleicht etwas gehört hatten, was uns helfen würde, den Tatzeitpunkt näher einzugrenzen.
Conklin war direkt hinter mir, als das Handy an meiner Hüfte klingelte. Ich nahm es und las Dave Stanfords Namen auf der Anruferkennung.
»Hier Boxer.«
»Ich habe Neuigkeiten für Sie.«
Ich gab Conklin ein Zeichen, dass er das Ohr an mein Telefon legen und mithören solle.
»Neuigkeiten von Erica Whitten?«
»Nein, aber ich dachte mir, es würde Sie interessieren zu hören, dass Charlie seine heiße Schokolade mit extra viel Schlagsahne getrunken hat und jetzt in seinem eigenen Bett schläft.« Stanford gluckste.
»Fantastisch, Dave! Was ist passiert?«
Stanford erzählte mir, dass der Ehemann einer unter Depressionen leidenden Frau sich bei der Polizei gemeldet habe. Die beiden hatten vor ein paar Wochen ihr Baby durch plötzlichen Kindstod verloren.
»Diese Frau, die Charlie entführt hat, war vor Kummer ganz von Sinnen«, sagte Stanford. »Sie fuhr die Straße entlang und sah Charlie über den Zaun schauen. Da hat sie einfach angehalten und ihn sich geschnappt.«
»Ist sie in Untersuchungshaft?«
»Ja, aber sie ist nicht die Person, die wir suchen, Lindsay. Sie hat nichts mit Erica Whitten oder mit Madison Tyler zu tun. Sie nimmt Antidepressiva und steht unter ärztlicher Beobachtung, und gestern hat sie zum ersten Mal seit dem Tod ihres Babys das Haus verlassen.«
Ich dankte Stanford und klappte das Handy zu. Conklin stand direkt neben mir. Ich sah ihm in die Augen, spürte die Hitze.
»Wir haben also nichts«, sagte Rich.
»Wir haben sehr wohl etwas«, erwiderte ich und ging weiter die Treppe hinunter. »Wir haben einen Mörder, der in diesem verdammten Haus frei herumläuft. Und was Madison Tyler betrifft, haben wir unsere nächste Sackgasse.«
91
Mickey Sherman saß neben Alfred Brinkley am Tisch der Verteidigung und mühte sich vergeblich, zu seinem von Medikamenten benebelten Mandanten durchzudringen. Der arme Trottel hatte ungefähr so viel Energie wie ein welker Kopfsalat.
»Fred. Fred .« Sherman rüttelte seinen Mandanten an der Schulter. »Fred, heute beginnen wir mit Ihrer Verteidigung, verstehen Sie? Ich werde also Leute in den
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