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Die 6. Geisel - Thriller

Titel: Die 6. Geisel - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Amateurfilm von dem Massaker auf der Fähre über den Bildschirm.
    Zusammen sahen wir uns an, was Claire vor wenigen Stunden selbst durchlebt hatte. Rooneys Film war unscharf und verwackelt. Wir sahen zunächst drei Touristen, die grinsend in die Kamera winkten, mit einem Segelboot im Hintergrund. Es folgte eine Großaufnahme der Golden Gate Bridge.
    Die Kamera machte einen Schwenk über das Sonnendeck der Fähre, vorbei an einer Schar von Kindern, die Hotdog-Brötchen an die Möwen verfütterten. Ein kleiner Junge, auf dem Kopf eine umgedrehte rote Baseballkappe, malte mit einem Filzmarker auf einem Tisch herum. Das war Tony Canello. An der Reling saß ein schlaksiger, bärtiger Mann, der gedankenverloren an seinem Arm herumzupfte.
    Das Bild hielt an, und der bärtige Mann wurde mit einem Spot hervorgehoben.
    »Das ist er «, sagte Edmund. »Ist er verrückt, Lindsay? Oder ist er ein kaltblütig planender Mörder, der nur den richtigen Moment abwartet?«
    »Vielleicht beides«, antwortete ich, ohne den Blick vom Bildschirm
zu wenden. Der ersten Sequenz folgte eine zweite: Eine ausgelassene Menschenmenge drängte sich an der Reling, während die Fähre in den Hafen einlief. Plötzlich schwenkte die Kamera nach links und erfasste das von Entsetzen verzerrte Gesicht einer Frau, die sich die Brust hielt und im nächsten Moment zusammenbrach.
    Der kleine Junge, Tony Canello, drehte sich zur Kamera um. Sein Gesicht war von der Regie digital verpixelt worden, um es unkenntlich zu machen.
    Ich zuckte zusammen, als der Junge getroffen zurückprallte und sich um die eigene Achse drehte.
    Danach sprang das Auge der Kamera eine Weile wild hin und her. Es sah aus, als hätte jemand Rooney angerempelt. Dann stabilisierte das Bild sich wieder.
    Ich schlug die Hand vor den Mund, und Edmund umklammerte die Armlehnen seines Sessels, als wir zusahen, wie Claire dem Schützen die Hand entgegenstreckte. Obwohl wir ihre Stimme nicht hören konnten, schien es klar, dass sie ihn aufforderte, ihr die Waffe zu geben.
    »Wie unglaublich mutig«, sagte ich. »Mein Gott.«
    »Eine Nummer zu mutig, wenn du mich fragst«, brummte Edmund und fuhr sich mit der Hand durch das Haar, das sich schon weiß färbte. »Claire und Willie, alle beide waren sie eine Nummer zu mutig.«
    Der Schütze stand mit dem Rücken zur Kamera, als er abdrückte. Ich sah, wie die Hand mit dem Revolver zurückzuckte. Claire hielt sich die Brust und sank zu Boden.
    Die Kamera schwenkte wieder auf die entsetzten Gesichter in der wogenden Menge. Dann sahen wir den Schützen. Er stand gebückt da, das Gesicht von der Kamera abgewandt. Er trat auf Claires Handgelenk und schrie ihr ins Gesicht.
    » Du krankes Dreckstück! «, heulte Edmund auf.
    Hinter mir stöhnte Claire in ihrem Bett.
    Ich drehte mich zu ihr um, sah aber, dass sie immer noch schlief. Meine Augen schnellten zum Fernseher zurück, wo
der Schütze sich nun umdrehte, sodass sein Gesicht zu sehen war.
    Er hielt den Blick gesenkt, und der Bart verdeckte die untere Hälfte seines Gesichts. Er kam auf den Mann mit der Kamera zu, der jetzt doch die Nerven verlor und das Filmen einstellte.
    »Danach hat er auf Willie geschossen«, sagte Edmund.
    Und dann tauchte ich selbst auf dem Bildschirm auf, die Frisur zerzaust von meinem Sprint zum Farmer’s Market, die Jacke mit Claires Blut verschmiert, das an Willies T-Shirt geklebt hatte, die Augen geweitet, Schock und Anspannung in den Zügen.
    »Bitte rufen Sie uns an, wenn Sie irgendwelche Informationen haben, die uns zu diesem Mann führen könnten«, hörte ich mich sagen.
    Dann wurde mein Gesicht durch ein Standbild mit dem des Killers ersetzt, während am unteren Bildrand langsam und in großen Lettern die Telefonnummer und die Webadresse des San Francisco Police Department durchliefen.
    KENNEN SIE DIESEN MANN?
    Edmund wandte sich zu mir um, sein Gesicht schmerzerfüllt. »Habt ihr schon irgendetwas in der Hand, Lindsay?«
    »Wir haben Jack Rooneys Video«, sagte ich und zeigte auf den Fernseher. »Wir haben die Nonstop-Berichterstattung in den Medien, und wir haben um die zweihundert Zeugen. Wir werden ihn finden, Eddie, das schwör ich dir.«
    Ich sagte nicht, was ich dachte: Wenn dieser Kerl uns durch die Lappen geht, habe ich meinen Beruf verfehlt.
    Ich stand auf und griff nach meiner Einkaufstüte.
    »Kannst du nicht noch ein paar Minuten bleiben?«, fragte Eddie. »Claire würde dich sicher gerne sehen.«
    »Ich schaue später noch mal vorbei«, antwortete ich.

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