Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Griotte, Wacholder-, Nuß-, Weichsel- und Vanilleschnaps.«
»Herr Wachtmeister«, wandte er sich an seinen Untergebenen, »hier haben Sie ein Beispiel, wie ein Gendarm nicht aussehn soll. Sich so zu benehmen ist ein solches Vergehen, daß darüber das Kriegsgericht entscheiden wird. Sich mit dem Delinquenten mit Spangen zusammenkoppeln. Besoffen zu kommen, total besoffen. Herzukriechen wie das liebe Vieh! Nehmen Sie ihnen die Spangen ab!«
»Was gibts?« wandte er sich an den Postenführer, der mit der freien Hand verkehrt salutierte.
|293| »Melde gehorsamst, Herr Rittmeister, ich bring einen Bericht.«
»Über Sie wird ein Bericht zu Gericht gehen«, sagte der Rittmeister kurz. »Herr Wachtmeister, sperren Sie die beiden ein, früh führen Sie sie zum Verhör, und den Bericht aus Putim studieren Sie durch und schicken Sie mir ihn in die Wohnung.«
Der Piseker Rittmeister war ein sehr amtlicher, in der Verfolgung von Untergebenen konsequenter und in bürokratischen Angelegenheiten ausgezeichneter Mann.
In den Gendarmeriestationen seines Bezirkes konnte man nirgends sagen, daß ein Unwetter vorüberziehe. Es kehrte in jeder vom Rittmeister unterschriebenen Zuschrift zurück, der den ganzen Tag hindurch Verweise, Ermahnungen und Drohungen für den ganzen Bezirk aussandte.
Seit Ausbruch des Krieges schwebten über der Gendarmeriestation in Pisek schwere Wolken.
Es war eine geradezu gespenstische Stimmung. Die Donner des Bürokratismus erdröhnten und trafen Gendarmeriewachtmeister, Postenführer, Mannschaft und Angestellte. Wegen jeder Dummheit ein Disziplinarverfahren.
»Wenn wir den Krieg gewinnen wollen«, sagte er bei seinen Inspektionen in den Gendarmeriestationen, »muß jedes ›a‹ ein ›a‹ sein, jedes ›b‹ ein ›b‹, nirgends darf ein I-Tüpfel fehlen.«
Er fühlte sich von Verrat umgeben und hatte den untrüglichen Eindruck, daß jeder Gendarm seines Bezirks irgendeine auf den Krieg zurückzuführende Sünde begangen und jeder in dieser schweren Zeit irgendeinen Dienstverweis hinter sich habe.
Und von oben bombardierte man ihn mit Zuschriften, in denen das Landesverteidigungsministerium darauf hinwies, daß die Soldaten aus dem Piseker Bezirk, den Berichten des Kriegsministeriums zufolge, zum Feind übergingen.
Man verlangte von ihm, er solle die Loyalität in seinem Bezirk auskundschaften. Es sah gespenstisch aus. Die Frauen aus der Umgebung begleiteten ihre Männer beim Einrücken, und er wußte, daß diese Männer ihnen mit Bestimmtheit versprachen, daß sie sich für Seine Majestät den Kaiser nicht erschlagen lassen würden.
|294| Die schwarzgelben Horizonte begannen sich unter den Wolken der Revolution zu verfinstern. In Serbien, in den Karpaten gingen die Bataillone zum Feind über. Das 28. Regiment, das 11. Regiment. Im letzteren die Soldaten aus dem Piseker Bezirk. In dieser vorrevolutionären Schwüle langten aus Vodňan Rekruten mit Nelken aus schwarzem Organtin an. Den Piseker Bahnhof passierten Soldaten aus Prag und schleuderten die Zigaretten und die Schokolade aus dem Fenster, die ihnen Damen aus der Piseker Gesellschaft in die Schweinewagen reichten.
Dann fuhr ein Marschbataillon durch, und einige Piseker Juden brüllten: »Heil, nieder mit den Serben!«, wofür sie ein paar so tüchtige Ohrfeigen bekamen, daß sie sich eine Woche lang nicht auf der Gasse zeigen konnten.
Und während sich diese Episoden ereigneten, die deutlich zeigten, daß das »Gott erhalte, Gott beschütze«, das in den Kirchen gespielt wurde, nur eine armselige Vergoldung und allgemeine Verstellung sei, langten aus den Gendarmeriestationen die bekannten Antworten auf die Fragebogen à la Putim ein, alles sei in bester Ordnung, nirgends werde eine Agitation gegen den Krieg geführt, die Gesinnung der Bevölkerung sei römisch Ia, die Begeisterung römisch Ia-b.
»Ihr seid nicht Gendarmen, sondern Gemeindepolizisten«, pflegte der Rittmeister auf seinen Rundgängen zu sagen, »statt daß ihr eure Aufmerksamkeit um tausend Prozent verschärft, werden langsam Rindviecher aus euch.«
Nachdem er diese zoologische Entdeckung gemacht hatte, fügte er hinzu: »Ihr wälzt euch hübsch zu Hause herum und denkt euch: Mit dem ganzen Krieg kann man uns im Arsch lecken.«
Hierauf folgte stets eine Aufzählung aller Pflichten der unglücklichen Gendarmen, ein Vortrag über die ganze Situation und der Nachweis der Notwendigkeit, alles fest in die Hand zu nehmen, damit es wirklich so sei, wie es sein sollte. Auf
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